Ein grausames Ereignis führt zwei Männer zueinander: Im einen Augenblick planschen Konrad und sein Freund noch vergnügt im tiefblauen Ozean vor der Küste Brasiliens. Einen kurzen Moment später verschwindet einer von ihnen in den Wellen. Der Körper sinkt langsam immer tiefer und taucht nie wieder auf. Zurück bleibt Konrad. Allein. Zerrüttet. Hilflos. Lange Zeit kann er die Suche nach dem Leichnam seines Freundes nicht aufgeben. Er kann nicht loslassen. Aber eigentlich ist er gar nicht allein. So tragisch der Unfall auch ist, führt er ihn direkt in die Arme des Rettungsschwimmers Donato. Eine Flucht in die Körperlichkeit, die physische Zweisamkeit. Die Trauer dadurch erträglicher. Aber schnell stellt sich heraus, dass es vielleicht doch mehr ist als eine flüchtige Amour fou. Vielleicht sogar die große Liebe. Eine Liebe, die Tausende Kilometer zurücklegen kann. Von Brasilien nach Berlin.

Karim Aïnouz’ Beziehungsdrama „Praia do Futuro“ lief bereits im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Der Film begleitet die beiden jungen Männer bei ihrer gemeinsamen Reise und erkundet die Grenzen ihrer Beziehung. Wie weit würde der eine für den anderen gehen? Die deutsch-brasilianische Koproduktion nimmt dabei eine ungewohnt neutrale Position ein. Sie wertet nicht, polemisiert nicht. Vielmehr bleibt „Praia do Futuro“ an den Charakteren und ihren individuellen Problemen haften. Kaum Culture-Clash-Klischees. Obwohl Donato in Berlin natürlich die bekannten Startschwierigkeiten durchmachen muss – Sprachbarriere, Arbeitslosigkeit, Großstadtkoller, die bittere Kälte –, findet er dennoch eine neue Heimat. Denn zu Hause in Brasilien kann er seine Homosexualität nicht offen leben. In der liberalen Anonymität der deutschen Großstadt ist das jedoch kein Problem … zunächst zumindest. Doch auch hier wird Donato bald von seiner Vergangenheit und Brasilien eingeholt.

Das große Problem ist Sprachlosigkeit. Ob Donato oder Konrad: Beiden fehlen oft die Worte. So visualisiert der Film ihre Gefühle. Der Plot rückt dabei oft in den Hintergrund. Stattdessen sprechen die Bilder Donatos und Konrads gemeinsame Sprache. Zunächst vor allem durch ihre Körperlichkeit. Viel nackte Haut. Die nackten Körper, die sich ganz nah aneinander schmiegen. Wilder Sex im Auto, im Hotel, in der eigenen Wohnung. Wenig Kommunikation. So intensiv ihre gegenseitigen Blicke auch sind, so innig und ehrlich ihre Beziehung auch ist, (miss)verstehen sich Donato und Konrad ohne Worte. Ähnlich konstruiert Karim Aïnouz auch die Schauplätze. Zum einen das farbenreiche Brasilien: seine menschenleere Strand-Idylle, das blaue Meer, die beschwingte, leichtlebige Atmosphäre – trotz des tragischen Unfalls. Im Gegensatz dazu die triste Metropole: Grau in grau, Straßen gehen in Hochhausblocks über. Am Ende noch ein Roadtrip nach Norddeutschland: das kühle Wattenmeer und die leere, farblose Autobahn. Aber auf ihren Motorrädern können sie die Geschwindigkeit des Lebens genießen. Sie sind frei, frei von den Problemen des Alltags.

Eine Langfassung dieser Besprechung erschien im Zuge der Berlinale bei cult:online, der Online-Ausgabe der Kulturzeitung der Bayerischen Theaterakademie.

Meinungen

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