Von einem in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Spielfilm erwartet man in der Regel intellektuelles und ergreifendes Kino. Dies bietet „Caracas, eine Liebe“ sicher nicht. Regisseur Lorenzo Vigas aus Venezuela erzeugt stattdessen gähnende Leere aus Inhaltslosigkeit, Wortlosigkeit und Charakterlosigkeit. Elliptische Leere muss nicht einmal schlecht sein – aber in diesem Fall verkriechen sich die Ansätze herausragender Genialität beinahe absichtlich. Mit der anfangs interessanten, extremen Tiefenunschärfe und der damit verbundenen Fokussierung auf bestimmte Partien des Bildes wird sichtlich übertrieben. Die beiden Hauptdarsteller Armando (Alfredo Castro) und Elder (Luis Silva) bekommen eine einzige Szene, in der sie ihre gemeinsame Blockade überwinden. Da, wo der Film endlich anfängt, hört er endlich auf.
Armando wurde möglicherweise als Kind vergewaltigt. Er ist um die fünfzig und bietet jungen Männern ohne Worte Geld an, damit sie sich vor ihm ausziehen. So trifft er auf den Kleinkriminellen Elder, der ihn zunächst ausraubt. Doch die absurd-perverse Basis erweitert sich auf eine freundschaftliche Beziehung der Begierde. Armandos vehemente Verschlossenheit bildet den Gegenpol zum extrovertierten Elder, der eigenständig einen Weg aus der moralischen und finanziellen Krise Venezuelas finden will. Homosexualität oder alles, was damit zusammenhängt, ist in Südamerika ein schwieriges Thema, das in der dortigen Filmwelt aufgrund einiger Skandale immer mehr porträtiert wird. Auf der Berlinale lief heuer beispielsweise der chilenische Film „You’ll Never Be Alone“ von Alex Anwandter, der einen auf Tatsachen basierenden Mord an einem Homosexuellen bebildert. Vigas setzt zwei Männer in Szene, die aufgrund von Armandos Stalking an die Figuren Gustav von Aschenbach und Tadzio aus Thomas Manns „Tod in Venedig“ erinnert. Mit dem Unterschied, dass sich Armandos Herangehensweise nicht in Träumen verfängt und Elder das Begehren erwidert, ja den Spieß umdreht. Elders Freunde und Familie wenden sich ab, die Perspektiven sind sehr limitiert.
Das große Problem des Films ist die andauernd entstehende Stille, die wie ein Mute-Knopf eines Verstärkers fungiert. Vigas entscheidet sich dafür, keine Musik zu verwenden. Dies kann man machen, wenn man etwas zu sagen hat. Die sich schneidenden Blicke führen Armando und Elder aber so häufig aus, dass man meinen könnte, sie würden telepathisch miteinander kommunizieren. Dumm nur, dass Silvas Mimik keinerlei Intensität besitzt und der apathischen Gesichtspartie Armandos wenn überhaupt Ratlosigkeit entgegenzusetzen hat.
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