Besonders prickelnd klingt er ja nicht, der deutsche Titel von David Mackenzies Gefängnisdrama „Starred Up“. Hierzulande hat man das Ganze nämlich schlicht „Mauern der Gewalt“ getauft: brutal, stumpf und Assoziationen an B-Movies aus den Achtzigern weckend. Ganz unpassend ist das nicht – nichtsdestotrotz gibt es hier aber mehr als grimmig dreinblickende Insassen und blutige Schlägereien zu entdecken.
Eric (Jack O’Connell) ist neunzehn Jahre alt, als er vom Jugendknast ins Erwachsenen-Gefängnis verlegt wird. Ein sympathischer Typ ist er nicht. Hochaggressiv und nahezu animalisch stürzt er sich auf jeden, der ihn falsch anschaut. Dass man sich damit nirgendwo Freunde macht, ist ihm egal. Direkt am ersten Tag legt er sich mit zig Wachen an und steht fortan unter extra strenger Beobachtung der harten Aufseher. Lediglich zwei Personen scheinen ihm auf den rechten Weg helfen zu wollen: sein ebenfalls inhaftierter, nicht minder krimineller Vater Neville (Ben Mendelsohn) und der Therapeut Oliver (Rupert Friend). Während Ersterer auf allerlei unkonventionelle Methoden der Erziehung setzt und als Sprache fast ausschließlich Gewalt kennt, versucht Oliver durch Gruppengespräche mit anderen Insassen Erics Resozialisierungsprozess anzustoßen. Allerhand Widerstand und Probleme begleiten diese mühsame Aufgabe.
Der geneigte Filmfan hat in seinem Leben sicher schon Vieles gesehen, das eine ähnliche Prämisse wie „Mauern der Gewalt“ aufweist. Und ja, frei von Klischees ist Mackenzies grimmiges Drama keineswegs. Da gibt es zwielichtige Gestalten auf dem Gefängnishof, die den Neuankömmling kritisch beobachten, während sie unter der Hand illegale Waren schmuggeln. Ebenso wenig mangelt es an fiesen Wärtern und Auseinandersetzungen im Duschraum. Doch wo andere Filme des Genres dem Zuschauer obendrauf noch eine zu Unrecht verurteilte, leidende Hauptfigur zum Mitfühlen an die Hand geben, findet man hier größtenteils lediglich ein – Pardon – missratenes Arschloch vor. Es handelt sich nun einmal um den verdammten Knast und Eric ist ein Extremfall, dem man ungern nachts begegnen würde. Diese Grundkonstellation nutzt Mackenzie, um einen komplett Pathos-befreiten, rohen und tristen Streifen zu inszenieren. Hier liegt die größte Stärke des Films: Durch die direkt spürbare Ansage, kein Resozialisierungs-Märchen erzählen zu wollen, schafft der Film eine authentische Atmosphäre, die vergleichbaren Stoffen aus Hollywood ein Stück weit abgeht. Sicher bietet „Mauern der Gewalt“ auch Momente der Hoffnung, doch dies alles geschieht ohne eine unglaubwürdige Beschönigung der Dinge. Rationalität geht hier vor Emotionalität.
Lobend zu erwähnen vor diesem Hintergrund sind die Schauspieler, allen voran der herausragende Jack O’Connell. Er spielt den jungen Eric dermaßen glaubhaft und mit einer solch unberechenbaren Wut, dass es eine wahre Freude ist, ihm zuzuschauen. Auch das restliche Ensemble spielt glaubwürdig und auf hohem Niveau. Rupert Friend zeigt mit seiner Darstellung des Therapeuten Oliver einen angenehmen Kontrast zu den rastlosen und brodelnden Figuren, die ihn umgeben.
Auch wenn diese Zutaten fantastisch klingen, ist David Mackenzie mit „Mauern der Gewalt“ kein absolutes Meisterstück gelungen. Das Problem des Films liegt in der mangelnden Entfaltung, die er seinen Figuren lässt. Dialoge werden oftmals allzu jäh durch eine weitere Schlägerei unterbrochen. Keine zehn Minuten scheinen zu vergehen, ohne dass sich Eric erneut mit jemandem anlegt. Das hilft bei der Darstellung des Knasts als Hort voller aggressiver, unkontrollierbarer Insassen, verhindert aber gleichzeitig eine tiefere Auseinandersetzung mit den Figuren. Hier hätte Mackenzie mehr Zeit gebraucht, um die Beziehungen der einzelnen Charaktere zueinander stärker auszubauen. Alles wird lediglich angerissen. Die problematische Vater-Sohn-Beziehung sticht hier noch am positivsten hervor. Zu diesem Eindruck passt auch das schlichte, abrupte Ende, das abermals angenehm unpathetisch ist, aber gleichzeitig auch ein Stück weit unbefriedigend daherkommt. Da wäre mehr gegangen – dennoch bewegt man sich hier selbstverständlich immer noch deutlich über dem Niveau eines durchschnittlichen Knastfilms.
So bleibt „Mauern der Gewalt“ am Ende ein famos gespielter, ruppig und straight inszenierter Gefängnisfilm, der sein komplettes Potenzial nicht vollends ausschöpft, aber für Genrefans als auch für Anhänger von David Mackenzie definitiv einen Blick wert ist.
Meinungen
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Bisherige Meinungen
Ich fand den Film persönlich gut gemacht. Konnte mir erst am Anfang nichts drunter vorstellen, aber der Film, wie er aufgebaut ist, hat mir sehr gefallen. Es ist sehr spannend. Wurde mich freuen, wenn ein zweiter Teil rauskommen würde. Weil am Ende ist man doch schon gespannt, was jetzt aus „Eric“ und seinem Vater wird. Ich würde mir den Film immer wieder ansehen. Den Gefängnis-Therapeuten fand ich auch super, wie er an diesen Jungen geglaubt hat und seine Nerven im Griff hatte. Es ist auch mal gut zu sehen, was so wirklich abläuft. Aber der Film, wie ich gelesen habe, basiert auf Erfahrungen, und das finde ich gut zu sehen und es zu verfilmen. Der Film bekommt von mir echt 5 Sterne.