Jedes Mal, wenn man einen Klassiker der Filmgeschichte bespricht, stellt sich zunächst die Frage, was man noch zum Kanon zahlreicher Meinungen, knapp vierzig Jahre nach Erscheinen, ergänzen könnte. Bei einem Fall wie „Krieg der Sterne“ hat man es ohnehin mit einer Geschichte zu tun, die geradezu im kollektiven Bewusstsein der Menschheit herumgeistert. Inzwischen scheint jeder zumindest eine Ahnung davon zu haben, was es mit Ikonen wie Luke Skywalker, Han Solo, Obi-Wan Kenobi, Leia Organa, R2-D2, C-3PO, Darth Vader und Co. auf sich hat, wie diese miteinander verbandelt sind und mit welcher Übermacht an Spezialeffekten sie das Blockbuster-Kino, wie wir es heute kennen, definiert haben. Regisseur und Autor George Lucas traf mit seiner Vision eben den Nerv der Zeit, alle folgenden Generationen richten sich seit jeher dem von ihm errichteten Sternenbild des Eskapismus. Dabei ist sein mühsam im Schneideraum zusammengewürfeltes Werk alles andere als ein Indikator heutiger Sehgewohnheiten. Im Gegenteil: Die knapp zwei Stunden Laufzeit behalten sich ein streng behutsames Tempo vor, wie sie auch von einer Geradlinigkeit erfüllt sind, die man entweder stoisch oder konzentriert empfinden kann. Der Film befindet sich durchweg in einer Phase zwischen klassischem bis biederem Erzählkino und einer enthemmten Fantasie jenseits der Milchstraße. Vieles daran liegt vor allem am inszenatorischen Zeitgeist, aber auch an den Einflüssen, die Lucas zur stilistischen Struktur seines Überfliegers verarbeitet hat.

Die Eingangssequenz mit dem berühmten fliegenden Text; der Angriff des massiven Imperiums gegen das kleine Rebellenschiff, in den wir urplötzlich hineingeschleudert werden; die unschuldige Prinzessin und der böse, dunkle Vader inmitten des Lasergefechts, dazwischen zwei Ulknudeln an Robotern: All das vermittelt die Hommage zum Serial, jenem Serienkinofilmformat, das vor der Erfindung des Fernsehens wöchentlich Weltraumabenteuer vom Formate Flash Gordons zeigte und hier nun im Panoramaformat aufgebrezelt wird. Aber mal ehrlich: Im Nachhinein kann einem jeder Filmexperte noch weit mehr Referenzen nennen, die hier zu Neuem vermengt werden. Fakt ist jedoch, dass die meisten, die mit der „Star Wars“-Saga aufgewachsen sind, diese als Kinder erlebt haben, weil sie in erster Linie auch für jene Zielgruppe gedacht war. Gewiss ist es für Heranwachsende daraufhin schwierig, weiter unvoreingenommen an das Sujet heranzugehen, wenn sie sich bestenfalls basierend darauf näher mit dem Medium beschäftigt haben. Lucas beansprucht aber auch bereits von vornherein ein Stück Naivität, dass er sodann mit gezielten Mitteln effektiv hervorbringt. So spielt das Abenteuer vor langer Zeit in einer weit entfernten Galaxis – physikalische sowie alle anderen Gesetze werden somit außer Kraft gesetzt, während die durchaus humanoiden Protagonisten von einer vielseitig außerirdischen Set- und Tongestaltung sowie entsprechend urigen Wesen umgeben sind.

Dem Film haftet somit etwas Märchenhaftes an und bildet im Folgenden das Paradebeispiel eines Kinos, das einen in eine fremde Welt entführt. Dabei ist die Einfuhr in die Story alles andere als organisch, vor allem gemessen an dem, wie Protagonisten sonst sofort als solche gekennzeichnet werden. Knapp die erste Viertelstunde verbringt man somit größtenteils mit C-3PO und R2-R2, wie sie sich durch die Wüsten von Tatooine schlagen, streiten und als Robotersklaven entführt werden, bis sie doch noch von Bauer Owen und seinem Neffen Luke (Mark Hamill) gekauft werden. So beiläufig diese Charaktere zu uns kommen, so schnell lassen wir uns auch darauf ein, sie kennenlernen zu wollen, eben weil sie sich nicht hervor tun, aber auch, weil Lucas seinen Luke als durchaus bodenständig netten Burschen zeichnet, der mit seinen Träumen im Sande festsitzt und im entscheidenden Bild schweigsam zu den Zwillingssonnen am Horizont hinauf blickt. Anhand jener visuellen Sehnsucht verzeiht man auch narrative Durststrecken auf dem Weg zu Obi-Wan Kenobi (Alec Guinness), der anhand seiner Statur einiges über die Geschichte der Jedi, dunkle und helle Seiten der Macht sowie Lukes Vater zu erzählen hat, das Publikum somit auch Stück für Stück mit verheißungsvollen Informationen füttert.

Die oben genannte, episodische Ader des Serials schlägt wieder durch, sobald beschlossen wird, dass man sich gemeinsam um die Rettung Prinzessin Leias (Carrie Fisher) kümmert, wofür es sodann noch einen Piloten braucht, der sich im Haudegen Han Solo (Harrison Ford) anbietet und dafür sogar seinen treuen, pelzigen Gefährten Chewbacca mitbringt. Das Prozedere konkreten Kennenlernens und damit verbundener Charakterzeichnung zum Vorantreiben des Plots könnte durchaus schleppender Natur sein, wenn die Ausstaffierung an Details, Macken und Energien jener Figuren allein nicht schon das Interesse steuern würde. Fortan geht es hinauf zu den Sternen, verlassen wird das beinahe westernartige Ambiente des Wüstenplaneten, willkommen heißen darf man sinistere Flugmaschinen und faschistoide Widersacher in der schwebenden Festung des Todessterns, welcher ganze Planeten mit einem Schlag auslöschen kann. Lucas nimmt den Zuschauer durchaus auf eine Reise mit, deren Ausmaße er per reiner Selbstverständlichkeit ins effektgeladene Krisengebiet voller Raumschiff-Dogfights eskalieren lässt. Das verbindende Glied von John Williams’ symphonischen Score beherbergt dabei ebenso durchweg Ritterliches, eben die Aufregung zu einem Großereignis, das sich vor allem Luke ergibt, welcher schließlich auch zu unserer Identifikationsfigur wird, die mithilfe erfahrener sowie stets herzlicher Recken ein unglaubliches Abenteuer aus dem Alltag heraus erlebt – was sich ja parallel vonseiten des Kinosessels abspielt.

Die narrative Stärke wäre allerdings nichts ohne den Fokus, dass man als Mensch nicht nur vor oder inmitten einer beeindruckenden Aufgabe steht, sondern diese auch bewältigen kann. Hieran wirkt weniger das Narrativ des Auserwählten, wie es inzwischen gang und gäbe ist (auch den „Star Wars“-Prequels anhaftet), mehr hingegen die Macht der Selbstbestimmung, der eigenen Vision und des erweckten Potenzials. Das sind Werte, die allzu bezeichnend für George Lucas’ Werdegang selbst stehen, eine singuläre Stimme innerhalb und außerhalb des New Hollywood abzugeben und eine Fantasy zu entfesseln, die keiner haben wollte, bis sie sich doch noch an der Kasse bezahlt machte. Das hielt ihn aber schon bei der selbst von Studiobossen bezweifelten Umsetzung nicht darin auf, die Grenzen der Handwerkskunst auszuloten, maßgebliche Techniken entwickeln zu lassen und dabei Szenarien zu erschaffen, die bis heute in Erinnerung bleiben, insbesondere da einem seine Charaktere darin ans Herz gewachsen sind. So sehr sogar, dass eine Medienlandschaft ohne „Star Wars“ undenkbar wäre, wiederum in vielerlei Hinsicht davon beeinflusst wurde und wie in einem Märchen scheinbar bis ans Ende aller Tage fortgesetzt wird. Man könnte noch viele weitere Aspekte über diesen Film erwähnen und analysieren, aber insgesamt beeindruckt, was sich alles mit gesunden Mengen an Naivität, Fantasie und Esprit erreichen lässt.

Meinungen

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