Was hat man am Ende des Lebens noch, alt und mit Falten sowie Flecken gesäumt, allein im Haus, ohne Partner und ohne Aufgabe? Nur noch sich selbst zu erhalten, seinem eingearbeiteten Tagesablauf treu-verpflichtet zu folgen, ist da scheinbar der Großteil der existenziellen Endphase. So ergeht es der alternden Hauptprotagonistin (Bertha Naranjo) in Tito Molinas konsequent behutsamen Film „Stille im Traumland“, der mit unaufdringlicher Stilistik eine entspannte, aber nicht erhebende Stimmung vom Alltag der unausweichlichen Einsamkeit erzeugen möchte. Demnach kann auch gar nicht allzu viel im Film geschehen, schließlich kommt ihr im Alter schlicht nichts mehr zu. Die Selbstverständlichkeit von Religion, alte Wiederholungen im kleinen Röhrenfernseher und der periodische Stromausfall sind da ihre wenigen Begleiter. Ansonsten bleibt nur Kochen, Saubermachen und der ständige Blick nach draußen, wo das Dasein der nächsten Generationen unbeirrt voranschreitet.
Da trällert des Nachts noch das Musiker-Trio mit schmächtigen Balladen an der kleinen Bar gegenüber, ansonsten lassen sich im schwül-gemütlichen Klima nur ein paar Kinder blicken, vor allem aber streunende Hunde. Mit einem jener Schwarz-weiß-gefleckten Rüden freundet sie sich dann allmählich an, stellt ihm vom Balkon aus Essensreste bereit und fegt den Staub auch um ihn herum, wenn er vor der Haustür Platz macht. Zusammen sind sie schweigsame Zeitgenossen, doch auch er ist in jenen tristen Umständen nicht immer für sie da. Die einzige Flucht bietet sich ihr schließlich in ihren Träumen: am Bett unter dem Bild von der Maria voller Gnade. Da löst sich auch die Kamera, begibt sich an ein malerisches Meer mit langsam türmenden Wellen, dessen Wasser so tief und schwarz wirkt wie die Krähen an der Küste drum herum. Hierin ist unsere Oma noch in freier Bewegung, still schwelgend in erdachten Hütten, während das Haar am Sand vorbeizieht, klassische Töne von Debussy und Beethoven dahinfließen und auch noch der Streuner gestreichelt an ihrer Seite bleibt.
Viel mehr mag der Film dann auch nicht erzählen in seiner versöhnlichen, doch abgeklärten Aufnahme einer abgeschlossenen Existenz. In seiner Grundlage der Stille lässt er nur andeuten, bleibt universell nachvollziehbar und allein vom strengen Konzept her ereignisarm, wenn auch in seiner gemäßigten Näherung liebend-fühlbar. So ernüchternd er darstellt, kann er aber keine allzu tragische Dramaturgie verfolgen, nur eben diesen inzwischen vielleicht nicht mehr so bitteren Schlusspunkt, den man erwarten muss, welcher jedoch wenigstens in der letzten Gnade des Traumlands endet. Diese schlussendlich geisterhafte Hoffnung darf man den Sterbenden schon überlassen – auch wegen der Liebe, die sie durchwegs in sich bewiesen haben und trotz ihres Verlustes bescheiden-abgeschottet dem Ende entgegen gingen. Molinas Film ist da ein klar empathischer Glaubensspender (zudem seiner Mutter und seinem Vater gewidmet), der zwar entschieden-schleichend die Abgeschiedenheit des Alterns aufzeigt, sich jedoch sicher ist, dass danach noch etwas kommt: die stille Glückseligkeit.
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