„Hitchcock“ setzt seinen Fokus auf die Dreharbeiten von Alfred Hitchcocks 47. Film „Psycho“ und geht dabei explizit auf die Beziehung zwischen dem Master of Suspense und seiner Frau Alma Reville ein. Am Anfang steht die Frage, wie sich Alfred Hitchcock nach seinem furiosen Erfolg von „Der unsichtbare Dritte“ (1959) zurückmelden soll. Der Film prangert die Aussage an, Hitchcock sei alt (womöglich soll damit irgendeine Art von Senilität angesprochen werden) und könne unmöglich an seinen vorherigen Film (und Erfolg) anknüpfen. Von nun an begleitet der Film seine Titelfigur dabei, wie er sich aus privaten und künstlerischen Tiefpunkten windet und seinen Traum, den Dreh des Films „Psycho“, zu erfüllen versucht.

Der faktisch vollkommen überinterpretierte Karrieretiefpunkt von Alfred Hitchcock findet niemals einen wirklich glaubwürdigen Aspekt und verteufelt damit nur Produktionsfirmen und Hollywood. Niemals gelingt es dem Film ein realistisches Bild eines bedeutenden Filmschaffenden zu entwerfen und verkommt so zu einer leidlich uninteressanten Darstellung seines Protagonisten. Zwar handelt es sich bei der Entstehung von „Psycho“ um eine erwähnenswerte, nie aber um eine sonderlich aufregende oder gar filmisch interessante Phase des Schaffens von Hitchcock. Betrachtet man dagegen die Entstehungsgeschichte seines Thrillers „Die Vögel“ bekommt man dort persönliche Diskrepanzen bis hin zu horrorartigen Exzessen der Dreharbeiten geboten, die Platz für eine künstlerische und charakterspezifische Entfaltung lassen. Der HBO-Produktion mit Toby Jones in der Hauptrolle gelang dies zwar auch nur in wenigen Aspekten, ist aber in der Lage die Großproduktion in seiner Charaktertiefe deutlich zu überbieten.

Regisseur Sacha Gervasi behandelt in seinem Spielfilmdebüt „Hitchcock“ nur einen entscheidenden Lebensabschnitt und suggeriert damit den Eindruck, dass sich an diesen (im Kontext) weniger relevanten Ereignissen das gesamte Schaffen von Hitchcock definieren lasse. Es wird zu keiner Zeit ein Rückbezug zu vergangenen Filmen geschaffen und niemals beachtet der Film einen weiteren (für das Leben von Hitchcock) wichtigen Aspekt, um ein klares Bild über diesen Ausnahmeregisseur zu machen. Zwar kann man den Film in diesem Punkt zugute halten, sich im vollkommenen Bewusstsein nur auf die Dreharbeiten des Films „Psycho“ zu beschränken, dies mindert aber nicht den Eindruck, dass es sich hierbei um ein halbfertiges Produkt handelt ohne jegliche Relevanz zu seiner Titelfigur.

Um sich den Halbwahrheiten noch weiter zu beugen, legt Gervasi seinen Blickpunkt nicht auf das filmische Schaffen von Hitchcock, sondern übergeht jegliche historische Korrektheit, in dem er den von Anthony Hopkins gespielten Hitchcock eine äußerst melodramatische Liebesgeschichte zu seiner Frau Alma Reville andichtet. Reville (Helen Mirren, erstaunlich blass), eher bekannt als Ruhepol hinter Alfred Hitchcock, verkommt zu einer launischen und aufmerksamkeitsheischenden Frau, die sich zwingend aus dem Schatten ihres Ehemannes lösen will. Es scheint fast so als bange Regisseur Gervais darum sich emanzipatorisch zu weit der heutigen Darstellung zu entfernen und damit etwaigen Zuschauern auf den Schlips zu treten. Mut zum Kino sieht anders aus.

Weiteren Charakteren des Films wird vergeblich versucht Charaktertiefe beizufügen. Der von James D’Arcy verkörperte Anthony Perkins wird sogar außerhalb seines gestörten Charakters im Horror-Klassikers „Psycho“ als latent psychopathisches Muttersöhnchen eingesetzt. Hier offenbart sich die größte Schwäche des Films: er ist nicht in der Lage sich im vollkommenen Bewusstsein einer korrekten Darstellung der Begebenheiten (oder zumindest der Charaktere) zu widmen und versucht aus dem eigentlich interessanten Ausgangspunkt eine Familienkomödie zu spinnen. Mirren flirtet mit Danny Huston um die Wette, während sich Anthony Hopkins mit Fatsuit den Bauch am Kühlschrank vollschlägt. Zwar sind die gezeigten Neurosen der Charaktere im gewissen Augenblick recht amüsant, so sind sie aber nie mehr als schlecht geschriebene Sketche, die allein als Situationskomik Bestand haben. Wenn Hitchcock Vera Mills durch ein Loch in der Wand begaffen will, verkommt dies zu einer beinahe lachhaften Auseinandersetzung mit bekannten Stereotypen des Unterhaltungskinos und lässt Hitchcock keinesfalls als das dastehen, was er ganz klar war: ein filmisches Genie.

Dem Wahnsinn nahe verkörpert Anthony Hopkins das Mastermind als fressendes Ungetüm, mit mehr Wampe als Verstand und gelegentlich vom Geist des Serienmörders Ed Gein heimgesucht werdend. Dieser Umstand verursacht mehr Kopfschütteln denn alles andere. Die Intention dieser lachhaften Darstellung ist wohl: Gervais möchte durch offenkundig gezeigten Wahnsinn das Genie und die Intelligenz des Master of Suspense symbolisieren. Übersieht man die lachhafte Rechtfertigung, erkennt man dennoch, dass sich Hopkins unter den drei Kilo Maske redlich Mühe gibt Hitchcock nahe zu kommen. Dies gelingt optisch leider nur selten, ist Hopkins leider kaum im Besitz von optischen Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten. Lediglich seine Stimmarbeit ist über jeden Zweifel erhaben und beschert sogar im Direktvergleich eine großartige Ähnlichkeit. Die Chemie zwischen den Hauptdarstellern Hopkins und Mirren ist leider nur in wenigen Punkten vorhanden, zumeist findet sie sich in den ruhigen Minuten des Films, besonders dann, wenn sie sich dem Handwerk ihrer Arbeit widmen und gemeinsam Gefühle projizieren sollen.

Cinephile Zuschauer werden sich beim Sehen des Films die Haare raufen, Kenner und Sympathisanten Hitchcocks möchten nichts lieber als den Saal räumen und Gelegenheits-Kinogänger mögen vermutlich die Ansammlung von Wikipedia-Trivia-Wissen und Halbwahrheiten als Offenbarung anerkennen, aber „Hitchcock“ ist mehr eine grenzdebile Komödie, mit Denunzierung eines Genies, als eine relevante Darstellung Alfred Hitchcocks. Es besteht kein Zweifel daran, dass es legitim ist, der Idealisierung seiner Protagonisten mit Humor entgegenzutreten, doch die scheinbar niemals endende Fiktionalisierung seines Themas führt dazu, dass der Film mehr anwidert, als unterhält.

Meinungen

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