Wer Mode und Fashion schon immer als oberflächlichen Snobismus empfunden, sich aber im Grunde nur oberflächlich damit beschäftigt hat, sollte sich „Yves Saint Laurent“ ansehen. Das gleichnamige Biopic über das französische Genie brilliert durch eine sensible Darstellung eines fragilen Charakters, der abhängig ist von der Liebe, der Zuneigung, seinem Schaffen und seiner manischen Krankheit, in die er sich stürzt, wie andere in eine Religion. Die atemberaubenden Original-Kostüme, die typisch französisch-stilvolle Art der Inszenierung, die clevere Erzählweise aus Sicht seines ewigen Gefährten Pierre Bergé sind nicht nur modeinteressierten Menschen zugänglich, sondern allgemein Liebhabern von subtilen Dramen. Jalil Lesperts Film bietet erstklassige schauspielerische Leistungen und zeigt sowohl die Sonnen- als auch Schattenseiten des wohl einflussreichsten Modeschöpfers aller Zeiten, der 2008 verstorben ist.

Dem Film gelingt es, die Lebensstationen Saint Laurents flüssig und nachvollziehbar darzustellen. So sind die verschiedensten Momente seines Lebens in einem kohärenten Zusammenhang und charakterisieren ihn ziemlich genau. Eins haben dabei fast alle Situationen gemeinsam: Die indirekte bzw. direkte Beziehung zwischen ihm und Pierre Bergé, den der 1936 in Algerien geborenene Ästhet Ende der fünfziger Jahre kennenlernte. Das Skizzieren von Kleidung interessierte ihn seit seiner Kindheit, seine Entfaltung als Genie war nur eine der Frage der Zeit und eben jene permanente Gegenwart von Bergé. In den fünfziger Jahren arbeitet er nach diversen Erfolgen in Wettbewerben bei Christian Dior und wurde zum künstlerischen Leiter befördert; 1960 erlitt er einen Nervenzusammenbruch, weil er in die französische Armee nach Algerien eingezogen wurde. Seine medizinische Behandlung, vor allem durch Sedativa, förderte seine Fragilität und hätte fast Suizid als Folge gehabt, hätte Pierre Bergé ihm nicht einen Sinn des Lebens gegeben. Denn das Designen allein war nicht ausreichend für den Künstler: Sein komplexer Charakter forderte eine physische sowie psychische Stütze, um überleben zu können.

1961 gründet er zusammen mit Bergé sein eigenes Unternehmen Yves Saint Laurent Couture. Die wilden Sechziger gehen jedoch auch an ihm nicht spurlos vorbei, denn gerade hier entwickelte er revolutionäre Ideen, die die gesamte Modewelt begeistern. Mit seinem Gespür für eine Ausgewogenheit von Neuem und Klassischem erschafft er in Drogenexzessen neue Standards, die noch bis heute ihre Relevanz behalten. Lespert nutzt zur Darstellung sowohl die Rivalität zu Karl Lagerfeld (gespielt von Nikolai Kinski), als auch stimmige, psychedelische Musik von den Chamber Brothers bis hin zu The Bossmen. Allgemein ist die Musikauswahl und der Score von Ibrahim Maalouf sehr angenehm und unterstreicht mit dramatischer Hingabe das Geschehen.

Rivalität ist auch das Stichwort in der Modewelt. Rivalität in den Maßen der Kleider, Rivalität im Aussehen, Rivalität in der Gestaltung, Rivalität in der Liebe, Rivalität mit sich selbst als Schöpfer. Gerade diesen inneren Wettkampf zeigt „Yves Saint Laurent“ in einer authentischen Art und Weise, legt dabei den Fokus auf die Beziehung zwischen den beiden Homosexuellen, die ohne einander nicht können und dennoch die Treue in Momenten vergessen. Doch Loyalität und Empathie hält sie zusammen, Bergé ist jene Stütze für Saint Laurent bis zu dessen Tod. Sie geben sich einander hin, geben sich Schuld und Verantwortung, begeben sich in Maxima, die Saint Laurents künstlerische Aktivität beeinflussen. Es wird klar, dass er ohne seinen Lebensgefährten, der gleichzeitig sein Manager war, zu all dem im Geiste fähig war, ihn aber zur praktischen Umsetzung brauchte und diese Abhängigkeit in einem Wechselbad der Gefühle sowohl genoss als auch unter Schmerzen ertrug.

Selbst für jene, die ein generelles Desinteresse gegenüber Mode hegen, falsifiziert Lespert die vermutete Oberflächlichkeit der Faszination und gewährt einen tiefen Einblick in das Wesen eines Mannes, dessen Schaffen sicherlich für immer zeitlos bleiben wird.

Meinungen

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