Ehe man sich versieht, lässt Regisseur Rob Cohen fern jedes stimmigen Aufbaus die Rückblende eines Ehestreits durchzischen und beginnt mit der Sehnsucht der dabei gehörnten Highschool-Dozentin Claire Peterson (Jennifer Lopez) im suburbanen Wohlstand: kurzweilige und doch schludrige Voraussetzungen für die Einleitung des folgenden Hausfrauen-Thrillers „The Boy Next Door“. Damit ist der Kanon der Lustlosigkeit aber noch lange nicht verklungen – schließlich gilt es, den kleinsten gemeinsamen Nenner in einer Groschenroman-ähnlichen Psychologisierung zu finden, welche softerotische Unterwerfungsfantasien konstruiert, nur um diese dann doch der Inkonsequenz halber zu einem lächerlichen Reißer voller 08/15-Terror und blutigem Budenzauber umzumünzen. Das lässt sich vergleichsweise unbelasteter goutieren als aktuelle Beispiele wie „Fifty Shades of Grey“, da mehr Erotik geboten wird – Würde kann man dem Werk aber noch lange nicht entgegenbringen.

So wird anhand von Mrs. Peterson und ihrer Darstellerin J. Lo das Idealbild einer selbstbewussten, attraktiven Milf als Projektionsfläche aufgestellt. Diese ist in der Wiedervereinigung mit Ex-Ehemann Garrett (John Corbett) und der Erziehung des schüchternen Sohns Kevin (Ian Nelson) so bitter dem Standard der Midlife-Crisis (Kuchen- und Keksebacken im glänzenden Haushalt) erlegen, dass sie einfach nicht umhin kann, sich in den charmanten und muskulösen Nachbarsjungen von nebenan, Noah Sandborn (Ryan Guzman), zu vergucken. Der hat es aber auch drauf! Schließlich kümmert er sich nicht nur rührend um seinen kranken Onkel, sondern ist zudem: ein zwanzigjähriger Student, dessen Darsteller Jahrgang 1987 ist; ein Meister romantischer Komplimente; in antiker Literatur bewandert und somit idealer Gesprächspartner für Claire (er schenkt ihr sogar die Erstausgabe von Homers „Ilias“ – hat ihn nur einen Dollar gekostet, alle Achtung); Kevins bester Freund, der ihm beim „schönsten Mädchen der Schule“ nachhilft und gegen rothaarige Skater-Raudis verteidigt; und die Art von Verführungskünstler, die lediglich nackt am Fenster herumstehen muss, um die Blicke der vernachlässigten Lehrerin auf sich zu ziehen.

Doch weil der Reigen an Klischees seiner Bestimmung kaum noch entkommen kann, steckt hinter jenen guten Eigenschaften eine ungesunde Manipulationsabsicht, um seine Obsession zu Mrs. Peterson zu erfüllen, die er nach dem unausweichlichen Beischlaf in einem Moment der Schwäche ihrerseits permanent stalkt. Weil sie seine krankhafte Leidenschaft jedoch nicht erwidert und stattdessen die Wiederbelebung des Status quo mit ihrer Familie anstrebt, macht er ihr das Leben zur Hölle: Er hackt sich in ihre E-Mail-Accounts, verbreitet Fotos vom gemeinsamen sexuellen Ausrutscher, erschafft Zwistigkeiten zwischen Garrett und Kevin und sabotiert zudem die Bremsen ihrer Autos. Diese Type ist das Letzte und folglich ein Höhepunkt der Unterhaltung, so wie Regisseur Cohen auf jegliche Subtilität pfeift und seinen Darsteller Guzman in plakatives Overacting entlässt. Der Psychopath entwickelt in seiner Wut übermenschliche Kräfte und bedient sich bei seiner systematischen Bedrohung einem Schandmaul zum Niederknien, aus dem dumpfe Wortspiele mit dusseligster Verschmitztheit sprudeln.

Sein Auftreten wird somit kontinuierlich lächerlicher, während Frau Lopez hauptsächlich mit Kurven und Schreien spielt und die Regieanweisungen von Cohen jegliches Gefühl für Klasse und Spannung vermissen lassen. Da bedient er sich sogar einem Jump scare, an dessen Ende lediglich eine Katze hervorspringt. Wenn dann zum Finale hin dem Wahn eine Spritze ins blutende Auge gedrückt und der Mörderdämon im Fegefeuer der Eifersucht bezwungen wird, findet der Spaß seinen verhonkten Klimax und endet genauso gehetzt und platt, wie er begonnen hat. Insgesamt bietet sich hier also ein urkomischer Schnellschuss einfallslosester Genre-Strategien, auf der Leinwand zum ganz großen Käse aufgebläht – und mit einer deutschen Synchronisation ausgestattet, welche so dämlich daherkommt, dass diese mickrige Reizwäsche der Trivialunterhaltung vollends jede Versuchung wert ist. Ein guter Film oder gar ein stimmiges Genre-Vehikel sehen trotzdem anders aus.

Meinungen

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