Wie lebt es sich mit der Fuck-You-Mentalität, die John Goodmans Charakter des verlebten, bulligen Gangsters Frank in Rupert Wyatts „The Gambler“ als Existenzmodus der Menschheitsgeschichte beschreibt? Filmisch wurden jene Wege ja schon wiederholt bewandert – mindestens von der früheren Verfilmung desselben Stoffes aus dem Jahre 1974, „Spieler ohne Skrupel“. Nun schlüpft Mark Wahlberg in die Rolle des titelgebenden Mackers, Jim Bennett, und präsentiert einen Charakter, der sich zweifellos selbst ausgeliefert ist. Drahtig und glatt rasiert schlurft er zwischen Spielsucht und seiner Stelle als Professor für Literaturwissenschaften hin und her und misst sich zwar an einer theoretischen Ambition des Besten, ist sich jedoch abgeklärt gegenüber den Tatsachen seines Wesens. Als nüchterner Zeitgenosse veräußerlicht er zu keiner Zeit den inneren Trieb des Selbstdestruktiven. Doch ehe er irgendwelche Kompromisse der Verantwortung gegenüber anderen eingeht, vertieft er sich haltlos weiter ins Loch des Geldes. Fuck You eben.
Dennoch spürt er den Druck der Unterwelt, der sich in den Werken von Michael Mann schon zu Ausbrüchen des Karmas verdichtete, hier jedoch vom Film, dem Protagonisten entsprechend, kühl umschifft wird. Die visuelle Ebene begnügt sich mit pragmatischem Stil an einer Noir-Entsättigung, während der Soundtrack seine dramatisierenden Untermalungen meist aus den Situationsumständen im Off schöpft. Wyatt will sein Genre-Drama als Realist herausstellen, verzichtet aber auf Schauwerte kinetischer Energie, die höchstens noch von einigen gezielten Schlägen in die Magengrube eingelöst werden. Das musikalische Eingreifen in die Gefühle seitens des Scores (Jon Brion und Theo Green) geschieht dann auch hauptsächlich in abstrahierenden Montagen. Doch obwohl ihre elektronischen Impulse den Endorphinen Bennetts gerecht werden, kommt Regisseur Wyatt ab und an nicht umhin, sie zusätzlich außerhalb visualisierter Mentalzonen einzusetzen. Dann nämlich bemüht er sich um eine Aufregung, die seine Figuren nicht vermitteln können oder müssen. Es geht um ein Ensemble an Menschen, hauptsächlich Bennetts Studenten (Brie Larson und Anthony Kelley), die mit ihrem Potenzial hadern, verstecken und stecken bleiben.
Im Einverständnis zueinander gibt es letztlich gar nichts zu sagen, außer die gegenseitige Hilfe zu fördern. Solche Entwicklungen geschehen jedoch unter vorgehaltener Hand und fließen heraus, sobald die Zeit reif ist. Der ausgefuchste Plan eines Mannes, der von außen hin keinen Scheiß auf Drohungen und Schulden gibt und auf das Glück vertraut – aber dennoch wie befreit von allem davon rennt, sobald es von ihm weggeputzt wurde und er von vorne beginnen muss oder will. „Fuck You“ sagt er da; so einfach haben sie ihn nicht in der Tasche. Und ähnlich eigensinnig gibt sich auch Wyatts Film – mit bewusst angezogener Handbremse in den Augen des stillen Verdrusses. Irgendwas hält den Menschen nämlich immer fest. Wirklich drüberstehen kann man da auch nicht, aber zumindest auf gut Glück setzen und das Schicksal für sich entscheiden. Kein einfacher Abgang. Aber so ist das nun mal. Deshalb muss man „The Gambler“ auch recht unaufgeregt entgegennehmen; womöglich will er auch gar nicht, dass man viel von ihm wegnimmt. Aber vielleicht brodelt trotzdem etwas unter der erkühlten Haube weiter.
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