Es ist wieder Haisaison angesagt! Doch wo der SchleFaZ-Zuschauer vom Pseudo-Trash eines „Sharknado“ ausgeht, verpasst Regisseur Jaume Collet-Serra diesem einen Denkzettel. „The Shallows“ bietet Spannungskino im souveränen Genregewand, wenn er Surferin Nancy (Blake Lively) zum Überleben animiert, trotz aller Widrigkeiten nicht gefressen zu werden. Das Prozedere gerät äußerst knackig mit einer Laufzeit von unter neunzig Minuten und teilt sich durchaus einige Erfahrungswerte mit „Gravity“, nur eben nicht dessen Fokus auf technische Spielereien. Collet-Serra ist ehrlicher in seinen Ambitionen, indem er Kraft aus der Schlichtheit seiner Geschichte schöpft, Handwerkskunst zur stimmigen Vermittlung einer Ausnahmesituation anwendet, die sich vielerlei Formeln bedient, doch zielgenau da ankommt, wo es wehtut. Dafür behält er Nancy ausgiebig im Auge: Jung, freundlich und unbedarft den südamerikanischen Wellen entgegenblickend, genießt sie das Leben und die Freiheit, legt aber kein selbstverliebtes Posertum an den Tag – sie formuliert ihre Gründe für die Reise ans Wasser anderen gegenüber zutraulich wie respektvoll.
Da es bei ihr (wie mit Heranwachsenden per se) kompliziert ist, setzt der Film auf pointierte Signale, die sich dem Zuschauer selbst dann nicht aufdrängen, sobald vom abgebrochenen Medizinstudium oder der Beziehung zur verstorbenen Mutter die Rede ist. Die Verbindung funktioniert im Grunde nebenbei, wofür Collet-Serra sein handschriftliches Selbstverständnis anwendet, neue Medien auf der Leinwand zu integrieren. In „Non-Stop“ (2014) kamen schon Textnachrichten simultan neben den Protagonisten vor die Linse, nun verbreitet sich der Videochat großflächig über den Strand und der Einsatz einer GoPro lebt sich ins moderne Medienverständnis ein. Collet-Serra lässt die Geschichte sich selbst erzählen, so wie sie dieser Tage auch mit der Technik verknüpft ist. Somit teilt Nancy ihr Schicksal in einer besonders schönen Sequenz mit Blick nach vorn in die Kamera also nicht nur ihrer Familie, sondern auch dem Publikum mit. Solche eigentlich unscheinbaren Hinweise auf die Essenz des Filmemachens ergänzen sich mit weiteren Zufällen, doch die Übertreibung wird vom Killerhai verhindert, an dem die tierischen Genreinstinkte mit Vollkraft ausgeübt werden.
So mündet die Werbeclipoptik voll imposanter Wellen, Bikinis und Dubstep-Timeramps allmählich in die Ruhe vor der Flut an Ängsten, ehe die Erwartung bissig bei der Unschuld zuschnappt. Fast in Echtzeit schaut man mit Nancy zusammen auf den Schmerz geteilten Fleischs, schwimmt mit ihr zu aufgedunsenen Wal-Leichen und hangelt sich stets unter Zeitdruck von Stein zu Boje. In solchen Situationen verschärft Collet-Serra das Survival-Fieber auf Tuchfühlung mit der Sterblichkeit, per Handkamera in eine vom starken Wellengang umgebene Starre vor Gevatter Tod. Dass es Nancy von vornherein darauf anlegt, mit den Erinnerungen an Frau Mama ins Reine zu kommen, ist aber kein Anlass für ihren Regisseur, zynische Metzeleien anzuzetteln; er gibt ihr auch eine Möwe als Leidensgenossin auf einen einsamen Felsen mit. An diesem Punkt ist nämlich Stärkung erfordert, sich als Persönlichkeit zu bewähren, worauf sich letzten Endes ein stärkerer Charakter aufbaut, als man zunächst vermuten konnte. Solche Impulse sind zwar nachvollziehbar, im Rahmen der Filmerfahrung aber auch simpel und absehbar.
Collet-Serras Karriere der Genre-Übungen bestätigt sich hier erneut. Immerhin behauptet er jedoch nichts anderes und füllt seinen Reißer mit Energie, so wie die Natur hier aus all dem Schlamassel eine Frau hervorbringt, die selbst nach bitteren Enttäuschungen nicht zum Tier werden muss, sondern zum Kämpfer avanciert. Letzteres lässt sich auf plumperen Pathos ein – Collet-Serra kann es allgemein nicht vermeiden, stilistische Abkürzungen ins Herz des Geschehens zu unternehmen: Pünktliche Jumpscare-Einsätze gehören zum guten Ton genauso wie externe musikalische Emotionalisierungen, der CGI-Einsatz und mehrere Ticking Clocks, die dramaturgisch zu den schlimmsten Zeitpunkten ausgerechnet Regen, Flut und weitere Hindernisse im Wettschwimmen gegen den Hai aufbieten. So eine Thriller-Fantasie wird ihren Status als Film nicht ablegen. Die sprachlose Power eines „All is Lost“ wird nicht erreicht, minimalistisch straight macht „The Shallows“ dennoch eine gute Figur aus seinen Eigenschaften, sofern man die standardisierte Grundlage nicht als Hindernis sieht, die Furcht vor dem Wasser und seinen Gefahren so zu spüren, wie es einem die Leinwand einst ohne jegliches Seemannsgarn beibringen wollte.
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