Zu Beginn sitzt Sutter Keely (Miles Teller) vor der Aufgabe, ein besonderes Lebensereignis für seine College-Applikation in Aufsatzform zu verfassen. Diese wird er mehrmals im Verlauf von James Ponsoldts „The Spectacular Now – Perfekt ist jetzt“ vor sich herschieben und umschreiben. Dem Titel entsprechend ist er nämlich ein junger Mann im Highschool-Alter, der seine unbedarfte Gegenwart genießt und frei von verantwortungsvollen Pflichten die Last der Zukunft außen vor lässt. Sein Herz ist auch gar nicht mal offen gebrochen, sobald die Beziehung zu Freundin Cassidy (Brie Larson) auseinandergeht. Allerdings hilft der gelegentliche Griff zum Flachmann darüber hinweg, während der Sommer mit Freundschaft, Schule, dem eigenen Auto und Nebenjob unbedarft weiter aufrecht gehalten wird. Da ist alles super – selbst ohne Vaterfigur. Aber auch die familiären Verhältnisse erscheinen für Sutter so gegeben wie alle anderen auch.

Die Ambition zum Status quo eines zufriedenen Lebemanns vermittelt der Film mit stilistischer Gemütlichkeit; stets einladend für das Idealbild einer Generation, zu deren glückseliger Jugend man sich gerne zurückdenkt: inoffensiv, kumpelhaft, fern fieser Lehrer, Partys in der Sonne am See feiernd. Eben authentisch unaufgeregtes Provinzlertum, wie es in der Realität ebenso langweilt und beruhigt. So ist man ganz auf Sutters Seite und wünscht ihm folglich Glück, als er nach einem Vollrausch die ungeschminkte Aimee Finecky (Shailene Woodley) im Morgengrauen trifft, ihr beim Zeitungsaustragen hilft und nach und nach ihr bester Freund wird. Zunächst soll sie für Sutter nur eine Übergangslösung sein, nach der vielleicht doch noch mal mit Cassidy angebandelt und die Vergangenheit erneuert werden kann. Allmählich verflüchtigt sich diese Illusion jedoch zugunsten einer echten Liebe.

Ponsoldts Inszenierung profitiert reichlich von der Natürlichkeit seines Paares, das mit zärtlicher Unschuld einen gemeinsamen Weg zum Fundament der perfekten Gegenwart einschlagen mag. Da ist es einerseits ein Leichtes, die Aura der Jugend für jene Jungdarsteller zu nutzen, welche dieses Gefühl noch eher veräußerlichen können. Andererseits darf man aber nicht leugnen, wie hier Phrasen und Plattitüden vom Pathos einer unerfahrenen Generation in Abgeklärtheit münden und eher alltäglichen Dialogen Platz machen. Das „Eher“ ist dabei allerdings ein entscheidendes Stichwort, da das Ensemble trotz seiner Bescheidenheit doch noch den Aufsatz vom Anfang ausfüllen muss und daher das gängige Coming-of-Age-Narrativ abarbeitet. So hat Aimee bereits bestimmte Zukunftsaussichten, kann sich zu deren Umsetzung allerdings erst durchsetzen, sobald sie vom Enthusiasmus Sutters motiviert wird. Auch wenn er ihr dabei das Beste wünscht – so wie er sich ohnehin allen gegenüber als Freund anbietet –, ist er nicht bereit, diese Zukunft mit ihr ebenso in Angriff zu nehmen.

Schließlich überredet sie ihn als ersten Schritt aus der Komfortzone heraus, doch mal Kontakt zum geschiedenen Vater (Kyle Chandler) zu suchen. An ihm erkennt er sich selbst wieder, aber auch in welche Sackgasse dieser gelandet ist: abseits vom Familiensinn, ziellos in Bars saufend, jede feste Bindung und Verantwortung ausblendend – selbst seinen Kindern gegenüber. Obwohl Aimee bedingungslos zu ihm halten will, stößt Sutter sie nach dieser Aussicht, was aus ihm werden und wie er ihr damit schaden könnte, von sich ab. Es wirkt nicht nur Enttäuschung, sondern auch die Angst eines jungen Mannes mit, ein Leben zu akzeptieren, das sich entgegen seiner nun verratenen Vorstellungen entwickeln wird. Er sucht eine Schuld an sich, die gar nicht da ist; kapselt sich ab und glaubt in seiner fest steckenden Gegenwart nicht, dass er sich noch aus dieser herausziehen kann. Dabei verliert er aus dem Blick, welch gütige Persönlichkeit er eigentlich hat, die sich stets um alle kümmert. Irgendwann lässt sich die schwierige, doch entlastende Reflexion also nicht mehr aufhalten.

Zwar ehrlich, doch letztendlich nicht allzu komplex, findet die Auflösung der Selbstkenntnis statt. Ein Schlusspunkt, der dem Herzen folgt, aber auch ein Stück vom anfänglichen Gefühl der Freiheit abzieht. Schon etwas in konservative Bahnen konstruiert, muss das filmisch wirksame Ambiente der Wahrheit jenseits der Leinwand ins Gesicht sehen. Ponsoldts Film sucht aber auch entschieden nach Perspektiven für die kontemporäre Jugend – von daher ist sein realistischer Ansatz nicht zu verachten, wenn er auch aufgrund der belehrenden Tendenz nicht konsequent ausgeführt wird. Was aber nachwirkt, ist das von Zynismus befreite Porträt ungewisser sowie sehnsüchtiger Individuen, die wie der Zuschauer dem Zauber des Sommers erlegen sind. Das kann für alle zu viel des Guten werden, doch zumindest stellt der Film eine Balance in Aussicht. Optimistisch und empathisch, herzzerreißend und konfrontierend – wie die Jugend an sich.

Meinungen

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