Preiset Sepp Blatter, den Heiland, der das Spiel mit dem runden Leder zur Sause für jedermann und jederfrau propagierte! Preiset die Fédération Internationale de Football Association (FIFA), diese gemeinnützige, ehrenamtliche Organisation, die seit jeher nur darauf aus war, Friede, Freude und Toleranz zu stiften! Preiset sie, denn es liegt ihnen nur an uns, an unserem Spaß, an unserem Wohlbefinden, an unserer närrischen Gaudi! O preiset. Und wenn Ihr nicht preiset, dann seid gezwungen, Frédéric Auburtins „United Passions“ zu sehen, sich von ihm und seinem Film bis zur Ödnis geißeln zu lassen, auf dass Euch Augen und Ohren bluten bei so vielen wohlweislichen Gutmenschen, die nur unser Bestes wollen. Wer danach noch immer nicht preiset, der denkt – und Denken ist das reinste Teufelsgut unserer Gesellschaft. Also denkt nicht, sehet!
Natürlich: Über manchen Film wird heutzutage bekanntlich Schauderliches erzählt, weil irgendetwas immer erzählt werden muss. Der Mensch, die Langeweile, die Banalität des Lebens, Sie wissen schon. Aber über Auburtins beinahe zweistündige Floßfahrt in den Schlund der kommerziellen Wollust kann nicht genug erzählt werden, obwohl es ebenso genügen würde zu sagen: Preiset den Film im Allgemeinen – und bleibt fort von diesem! Denn was der Regisseur solch exquisiter Werke wie „San Antonio“ und „Envoyés très spéciaux“ mit einem FIFA-zertifizierten Budget in Höhe von ungefähr 27 Millionen Dollar fabriziert, passt schwerlich auf den Wanst seines leading Walross Gérard Depardieu, der Jules Rimet mimt, den Präsidenten der FIFA von 1921 bis 1954. Im ersten Akt des Films, den Generalsekretär Jérôme Valcke als „offene, selbstkritische und höchst unterhaltende“ Irrlichterfahrt in die Geschichte des Verbandes preist, passiert nicht weniger als in den folgenden zwei Akten: die Entblößung eines Betriebs, der sich mit Monologen debiler Selbstsicher- und Selbstsüchtigkeit in den Schlagzeilen hält. Korruption? Bei uns nicht! Wo denken Sie nur hin?
Die Problematik dieses Propagandastreifens lässt sich nicht zwingend an dem Mangel eines klugen oder gar raffinierten Drehbuchs festmachen, sondern an der Wahl seiner Protagonisten. Neben Depardieu als Rimet obliegt es Sam Neill als brasilianischer Fußballfunktionär João Havelange und Tim Roth als Blatter himself (hier wurden Schauspieler ihrer tatsächlichen Herkunft nach besetzt!), sich in den Dienst grauer Kulissen zu stellen, dort von Statisten berieseln zu lassen und unter eckigen Akzenten von der Diktatur des Leders zu schwärmen, das nichts weniger als die Welt bedeutet. So oft, wie Roth und Co. jene praktisch esoterische, wiederbelebende Magie, Energie, Synergie anbeten, möchte gar der unsportlichste, ballfeindlichste Zeitgenosse glauben: Ja, das muss es sein, darauf habe ich mein Leben lang gewartet! Gebt mir einen Ball, gebt mir einen Fernseher, gebt mir eine Antenne, lasst mich bei Speis und Trank sehen, nach was ich zu dürsten habe! Wäre es doch nur nicht so völlig schamlos, völlig uninspiriert.
Dabei wäre es einfach, furchtbar einfach, einen Film über die FIFA und deren irre Geldwiederkäuensmentalität zu drehen. Wenn denn nur der Sport an sich im Vordergrund stehen würde. Aber nicht wohlgenährte Snobs in feinem Zwirn, die zwischen kalten Mauern und Schreibtischen reden, reden, reden. Und erstaunlicherweise über die Laufzeit von genau 110 Minuten nichts sagen. Der Ball jedoch rollt – mit oder ohne Sepp Blatter. Zumindest aber rollt er nur so weit, dass „United Passions“ am vergangenen Startwochenende in den Vereinigten Staaten gerade einmal 607 Dollar in zehn Kinos einnahm. O preiset ihn!
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