Alexis Denisof und Amy Acker sind ungewöhnlich selten so zu sehen – so heißblütig, so aufgekratzt, so ergriffen, so fernab aller Schüchternheit. Viel Lärm. Viel Staffage. Wenig Maulfaulheit. Wenig Contenance. Eingefleischte Joss–Whedon-Serienfans werden sich an diese zwei ausgezeichneten Darsteller garantiert noch erinnern. „Buffy“ und „Angel“ prägten, ja forcierten in ihren Anfangszeiten unsere Vorstellung alteingesessener Karikaturen vom steifen, asexuellen, ungeschickten Gentleman-Briten (Denisof) und von der verschlossenen, niedlichen, aber allseits großmütigen Streberin mit Brille (Acker). So auch hier – in „Viel Lärm um Nichts“. Sie zanken, balgen, debattieren. Zwischen den Zeilen, durch die Blume, unter der Hand. Wie ausgewechselt spielen Denisof und Acker sich in Ekstase, jeder Satz extra explosiv und jede Körperakrobatik extra blumig. Ihr sollt lachen, wertes Publikum, ihr sollt fühlen! Aber ein, zwei, drei Erkennungszeichen konnten sich beide trotzdem nicht entgehen lassen, praktisch jene skurrilen „Buffy“- und „Angel“-Marotten. Während Amy Acker immer noch das umnachtete, nächsthin aber Sonnen erstrahlende, aufgerissene Überraschungslächeln auswendig kennt, taumelt, stürzt und fliegt ihr Kollege Alexis Denisof durch die Kulisse. Er ist bereit, in jedes Fettnäpfchen zu stampfen, bereit, über seine eigenen Füße zu fallen, bereit, sich lächerlich zu machen, aufzustehen – und im Anschluss daran, verdrießlichen Blickes, alles wegzuwischen.
Ihr eitler Spieltrieb widerhallt dabei stets mit den Echos des (Amateur-)Dilettantismus. „Viel Lärm um Nichts“ ist grobmotorig und wildert in einer improvisierten Austestphase. Genau wie ihr begrenzt abgerundetes Duett wirkt Whedons Film als das, was er ist: Zeitvertreib, Urlaubsfüllung, ein Independent-Experimentevent, um Langeweile künstlerisch zu überbrücken und um die Familie einander freundschaftlich zu binden. In der Tat lugt hier ein privater, selbstloser Familienfilm hervor, in dem sich die Crème de la Crème des in die Popkultur eingegangenen Whedonverse trifft: Angefangen bei beiden plakatausfüllenden Protagonisten, über Reed Diamond und Fran Kranz („Dollhouse“) bis zu Sean Maher und Nathan Fillion („Firefly“) kreuzen sich ehrerbietend jene, die zum Haushaltspersonal einer ikonischen Serien-Clique aus Typen, Raubeinen und Prinzessinnen gehören. Whedon versammelt diese Weltengemeinschaft seiner Vergangenheit zu einem romantischen Rendezvous unter Freunden und Feinden, zu Pärchen wider Willen und ausgebufften Hasardeuren. Dass sie sich ihre Liebe aber rücksichtslos gestehen, Serien übergreifenden Respekt bekunden oder einander kollegial durch die Haare streichen – keine Chance. Denn sie lästern, tuscheln, verbergen Geheimnisse und stricken Skandale. Längst ist nicht alles unverkrampft innerhalb dieser sonst kuscheligen Whedon-Rasselbande, sondern verschwörerisch, berechnend und korrupt.
Wenn Whedon demnach Shakespeare adaptiert, dann findet selbstredend der Kanon ausgewiesener Elemente zueinander, die auch seine Serien zusätzlich bereicherten: vorgetäuschte Tode, neckische Liebeleien, egozentrische Allüren, tückische Machtspiele und von Zweifeln übersäte Ressentiments, schlicht die Kühn- und Verlogenheit, sich eine Maske aufzusetzen. Statt für Fox und Marvel zu arbeiten, verwirklicht Whedon erstmalig aus Eigeninteresse und -nutzen einen Stoff, der in seinen Händen zum formalästhetischen Komplementärprinzip gerinnt: „Viel Lärm um Nichts“ ist eher spröde, weltfremd, methodisch. Was in „Buffy“, „Angel“ und „Firefly“ leise angedeutet wurde, belegt dieser Film, indem sein Interieur – innerhalb weniger Tage drehte Whedon „Viel Lärm um Nichts“ in seinem eigenen Anwesen – es verlangt, im engen Raum arbeiten zu müssen und ihn dialogreich zu füllen. Als Dirigent, der seine Figuren anweist, bewegt und platziert, eignet sich Whedon. Trotz dem anfänglichen Gefühl, durch stilistische Mittel wie dem Drehen ohne Farbe einem allzu prätentiösen, altklugen Habitus aufzusitzen, nutzt er den Raum, um ihn mit Spiegeln und Fenstern zur Projektionsfläche seiner uneindeutigen Figuren umzufunktionieren, die voneinander nicht fliehen können. In einer Szene umarmt Benedick (Denisof) die sich vor ihm gedeihende Natur – aber er bleibt ein Sklave des Raums, die Umarmung eine Verzweiflungstat, der Außendreh entrückt.
Die verschwurbelten Sprachkreationen Shakespeares übernimmt Whedon indes vollständig. Obwohl er der Vorlage an geringfügigeren Passagen ausweicht, hängt er sklavisch am Papier, am Entwurf, am geschriebenen Wort. Vielleicht ist dies am ehesten kritisierbar, vielmehr der Grund, warum „Viel Lärm um Nichts“ intellektuell an den Verstand appelliert, nicht aber tiefer gehend ins Herz dringt – das Abpausen, Abfilmen und Nachplappern des Inhaltes erscheint hinreichend fantasielos, bleiern und mehrfach anstrengend ohne eigene Note, wenngleich die sinnliche Vitalität der Schauspieler als Auffangbecken fungieren soll, dem starren Text Lebendigkeit abzugewinnen. Ein auf Distanz gehaltener Kopffilm durch und durch ergibt sich deshalb dennoch, dessen statisches Maschinenwerk zu Whedons nachdenklicher Science–Fiction-Sause „Dollhouse“ einen näheren Bezug aufbaut, als es dem Film selber lieb sein kann. Am reizvollsten ist dieser sonderbare Shakespeare-Whedon dafür in seiner überspitzten Gegenüberstellung von Moderne und alten Tagen: Smartphones konterkarieren ein unzeitgemäßes Geschlechter- und Rollenverständnis, bevor Polizeichefkommissar Nathan Fillion sich brüskiert fühlt, im Verhör als „Esel“ bezeichnet worden zu sein. Derlei Klamauk mitten im Ernst der Konflikte ist typisch Joss Whedon und partiell seiner Serienwerke nachempfunden. Manchmal verlässt der Serienmacher die Gefühlswissenschaftlichkeit also doch noch.
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