Da stapft er schnaufend voran, der dicke Mann, den Gérard Depardieu für Abel Ferraras „Welcome to New York“ verkörpert und den er bereits vor den einleitenden Credits im Interview entschieden verachtet: das fiktionalisierte Pendant zu Dominique Strauss-Kahn, Devereaux. Von außen hin der respektable Banker von Weltformat betreibt er hinter verschlossenen Türen allerdings sein ganz persönliches Mekka des ewigen, rotzigen Sex, egal mit welcher Variante der (auch erkauften) Weiblichkeit. Den unbegrenzten Zugang dazu ist er jedenfalls dermaßen gewohnt, dass der kleine Jodele immer aufrecht bereitsteht und im animalischen Trieb meist frühzeitig abdampft, wobei das groteske Fettgewölbe vorne dran am meisten unangenehme Reibung verursacht. Überall ist nämlich Puff, selbst im flugs eingecheckten Hotelzimmer, und da geht der Hedonismus vor allem auf Kosten der weiblichen Belegschaft, deren Fleisch von alten fleckigen Griffeln betatscht und mit Eiscreme und Sekt verschmiert wird – zudem muss so getan werden, als ob es ihnen gefällt!
In diesem selbstgefälligen Rausch – den Regisseur Ferrara ebenso objektiv in die Linse rückt wie die restlichen, der Wahrheit entlehnten Prozessionen des Films – kennt Devereaux folglich auch keine Grenzen mehr und vergreift sich an einem uneingeweihten Zimmermädchen, für dessen Vergewaltigung er sich durchwegs nicht entschuldigt. Schließlich ist er ein selbst erklärter Womanizer, ein ausgefeilter Egoist, der mit mehr oder weniger geschickter Hand an sein Ziel der Befriedigung kommt und folglich nur darauf fixiert ist, auch nichts Falsches darin sieht. So kommt es aber auch, dass er aufgrund des Vorfalls bei seiner schludrigen Attitüde schnell von der Polizei aufgegriffen wird und nun die ihm unliebsame Systematik des Gesetzes erlebt, welche Ferrara ausgiebig-lückenlos porträtiert. Die Prozedur kommt recht zu nüchtern und extensiv-erzählt rüber, doch jene Stilistik hat System – schließlich wird die unausweichliche Demütigung des Vorangegangenen nun auf Devereaux angewandt und es nervt ihn sichtlich, dass er sich nun auch unfreiwillig entblößen muss. Da röchelt aus jeder Bewegung die pure Verachtung heraus und dem Zuschauer macht das verständlicher Weise große Freude.
Aber wird die Gerechtigkeit siegen, bleibt er hinter Gittern? Nun, die Anwälte und auch seine herbeigeeilte Ehefrau Simone (Jacqueline Bisset) sind schon zur Stelle und versetzen ihn dank dem Wunder der Fußfessel in eine glatte Designer-Unterkunft für knapp 60.000 $ im Monat. Doch der temporäre Haussegen hängt auch hier schief, da Devereaux’ Verhalten Simones Pläne im gesellschaftlichen Ansehen zunichtegemacht hat, während er jedwede Schuld mit haarsträubenden Ausflüchten von sich weist, ihr aber auch immer wieder vorhält, von seinem Lebensstil („Ist es ungesetzlich, jung sein zu wollen?“) gewusst zu haben, den der Film in wenigen Rückblenden ebenso wenig versäumt. Eine Emotionalisierung bleibt außen vor, ebenso eine direkte Verquickung oder Pointierung des Konflikts auf das Wesentliche – was wiederum eine konsequente, bitterböse Zurschaustellung übersättigt-trister Selbstgefälligkeit und Asozialität unter dem Deckmantel des ausgelassenen Reichtums ermöglicht.
Diese Konstellation beschwört letztendlich leider wenig Hoffnung herauf, speziell darin, wie der Fall ausgeht, doch ebenso reichlich ungehaltene Schauspielkraft im zersetzenden Gefüge einer Beziehung, die sich stets in der Selbstlüge duldete und nun das hässliche Ergebnis dessen verarbeiten muss. Oder auch nicht: Denn Devereaux übt sich stattdessen in Zynismus und entschiedener Gefühlslosigkeit, je unausstehlicher er seine abgeklärte, doch frustrierte Simone in die Verzweiflung treibt. Da kann man über der ganzen Sache schließlich zwar noch ein bescheidenes, Gesellschafts-taugliches Lächeln aufsetzen, doch man verharrt in dem Wissen, dass das Gerechte schlicht nicht vollzogen wurde und dass der eigentlich Schuldige nicht mal dankbar dafür ist, was man alles deshalb (seit jeher) auf sich nahm. Oder vielleicht ist er es nur ein wenig, allerdings nur abgegrenzt vom Rest der Welt wie hinter jenen verschlossenen Türen, wo vorher der Exzess zelebriert wurde? So eine Erfahrung geht ja auch an niemandem spurlos vorbei, selbst wenn man die Macht eines Devereaux beherbergt. Bitter läuft es dennoch den Abgang runter.
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