Aus hiesigen Landen kommt manch unterschätzter Veteran nur selten zu Ehren. Deshalb widmen wir uns dem Werk von Hans W. Geißendörfer in einer Retrospektive voller Filmschätze. Einer davon heißt „Bumerang – Bumerang“.
Wackersdorf: heutzutage ein weniger geläufiger Ortsname, doch in den achtziger Jahren ein umstrittenes Gebiet der Bundesrepublik, das als Wiederaufbereitungsanlage für „abgebrannte“ Brennstäbe aus Kernreaktoren gedacht war. Es ist auch Dreh- und Angelpunkt von Hans W. Geißendörfers „Bumerang – Bumerang“ – ein Werk, das sich direkt mit einem zeitnahen Problem befasst. Dies entspricht eher dem Konzept von Geißendörfers „Lindenstraße“, die zu jener Zeit neu war, nicht unbedingt seinen eher assoziativen Spielfilmen. Damals hochaktuell scheint es inzwischen teilweise schwerzufallen, den Film außerhalb seiner Ära zu betrachten. Der Grundgedanke des Widerstands gegen die Umstände ist als roter Faden der deutschen Gesamtgeschichte natürlich bis heute und darüber hinaus präsent. Nicht unbedingt das eindeutige Zeitkolorit, das hier die filmische Erfahrung ausmacht. Dabei hat der gezeigte Idealismus der Jugend in seiner provinziellen Naivität stets überlebt, wobei jene aufspielende Generation eher das Resultat einer Erziehung ähnlich „Ediths Tagebuch“ fortsetzt.
Folglich wirken Evi (Katja Studt) und Pit (Jürgen Vogel) in aller Ambivalenz emanzipiert und außerhalb elterlicher Kontrolle. Ihre Leitbilder finden sich im Angesicht der atomaren Bedrohung nach Tschernobyl im linken Lager – ein Stück weit freundet man sich aber auch an, um dem Schwarm zu imponieren. Die Unschuld muss man ihnen lassen, auch bei Evis spontaner und leicht unbeholfener Entführung des CSP-Parteimitglieds Hans Reindl (Lambert Hamel). Da kann sie ihn nur zu sich nach Hause nehmen, Pit als Helfer einschleusen und hoffen, dass sich auf diesem Wege die politischen Verhältnisse ändern. Geißendörfers Inszenierung dazu ist zwiegespalten. Während die Festsetzung Reindls auf einen Standort erneut die psychologischen Stärken der Isolation im Gesamtwerk des Regisseurs hämmernd ausstellt und so eine omnipräsente Konfrontation der Ideologien herausfordert, pendeln sich Ton und Charakterzeichnung tendenziell in Richtung Jugendabenteuer ein.
Dazu gehört ein von NDW-Synthesizern beherrschter Soundtrack, der so unschuldig quäkt, wie die Darsteller die Dynamik einer kontemporären Satire innehaben. Katja Studt und Jürgen Vogel strahlen starke Authentizität aus; Jan Plewka als nerdiger James-Bond-Fan Johannes und Lambert Hamel als „Freude, schöner Götterfunken“ trällernder Schmierenpolitiker können manch komödiantische Anwandlung nicht vermeiden. Leichtherzigkeit und politische Ambitionen sind von Natur aus eine ungewohnte Kombination und so verläuft auch „Bumerang – Bumerang“ seinem Namen gemäß in zwei Richtungen, die im Umkehrschluss nur zu sich selbst finden können. Als Zeitkapsel funktioniert diese Eigenart natürlich ungemein. Der Film ist ein eigensinniger Komplex, der von einer ungewissen Zeit zu schildern vermag, in der Politik und Schmalspurterrorismus zur Adoleszenz dazugehören und in der die Jugend einen individuellen Sinn, Liebe und Zusammengehörigkeit sucht. Gleichsam entwirft er eine Ambivalenz zum Handeln der Charaktere, die das Kriminelle kritisch beurteilt und dennoch im Vergleich mit der Selbstgefälligkeit des Konservativen im Spiegel der Medien gewinnen lässt.
Frechheit siegt mit Cleverness im sympathisierenden Cine-Protest. Geißendörfers Film wirkt ohnehin besonders lebhaft, wenn er mit seinen Teenagern sympathisiert, diese als bodenständigen Zeitgeist gegen die Verlogenheit der Obrigkeit zeichnet und im Coming of Age zwischen Kassettenrekordern, Aktionspostern und selbst gebastelten Funksprechanlagen aufnimmt. Dennoch bleibt eine unvermeidbare Distanz, die nicht nur vom Zeitkolorit ausgeht (Wackersdorf wurde im Nachhinein ohnehin als atomarer Standort fallen gelassen), sondern auch vom Ernst der Situation, dem Geißendörfer die nötige Portion Realismus einverleibt. Gerade dieser beißt sich aber (bewusst) mit dem lockeren Verständnis des Films zu seinen Protagonisten. Es hat etwas Ehrliches, aber auch Befremdliches inne, was durchaus als aneckende Qualität verbuchbar ist. Mit der Zeitlosigkeit anderer Stoffe im Werk Geißendörfers kann dieses Dokument aber nicht mithalten, dafür ist es in seiner politischen Relevanz, welche den Film an sich bisweilen überschattet, zu spezifisch geraten.
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