Abschiede fallen selten leicht – doch dieser traf das Herz eines Filmliebhabers besonders hart: Nachdem die Regisseure Hayao Miyazaki und Isao Takahata nämlich infolge ihrer letzten Produktionen ihren Ruhestand bekannt gaben, ließ auch das Studio Ghibli verlauten, dass es sich aus dem Filmgeschäft zurückziehen werde. Vorerst. Man wolle versuchen, das Studio umzustrukturieren. Ob irgendwann ein neuer Film entsteht, bleibt jedoch fraglich. Auch wenn Ghibli bei Weitem nicht nur mit Miyazaki und Takahata zu verbinden ist, wird es schwer sein, jemals wieder an die Vergangenheit anknüpfen zu können – auch weil Produzent Toshio Suzuki im vergangenen Jahr ebenfalls seinen Rücktritt bekannt gab. Glücklicherweise gibt es aber auch bessere Nachrichten: So ging während der Diskussion um die Zukunft des wohl besten Animationsstudios aller Zeiten beinahe unter, dass in der Zwischenzeit noch ein weiterer Ghibli das Licht der Welt erblickt hatte. Es handelt sich um Erinnerungen an Marnie von Hiromasa Yonebayashi. Und wenn es sich hierbei tatsächlich um den letzten Ghibli-Film handeln sollte, dann ist der Abschluss genau so, wie ihn Studio als auch Fans verdienen: wunderschön.

Erinnerungen an Marnie“ zeichnet sich exakt durch das aus, was Ghibli über lange Zeit erfolgreich gemacht hat: einen wunderschönen Animationsstil, eine charmante Geschichte, tolle Musik und hervorragend ausgearbeitete Charaktere. Wieder einmal sind es starke weibliche Charaktere, die den Film auf unnachahmliche Art und Weise tragen. So auch die zwölfjährige Anna Sasaki, die ihre Eltern in jungen Jahren bei einem Autounfall verloren hat. Obwohl sich ihre Pflegeeltern mühevoll um sie kümmern, hat sie es nicht einfach: Anna eckt oft an, hat keine Freunde und leidet außerdem an Asthma. Ihre Pflegemutter hält es daher für eine gute Idee, Anna in den Sommerferien aufs Land zu schicken. Die Luft und die Ruhe vor der Großstadt sollen ihr gut tun. Aber genau wie in der Stadt fällt es Anna nicht leicht, Freundschaften zu schließen und verschreckt die anderen Kinder mit ihrer schroffen Art. Doch eines Abends lernt Anna die blonde Marnie kennen, die aus einer vollkommen anderen Zeit zu kommen scheint.

Der Film erinnert dabei an Yonebayashis Debüt „Arriety – Die wundersame Welt der Borger“ aus dem Jahr 2010. Auch dort ging es um ein krankes Kind, das sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden muss und Freundschaft mit einer außergewöhnlichen Person schließt. Anders als in vielen herkömmlichen Animationsfilmen hat der Film ein ausgesprochen ruhiges Tempo – ein Unwetter bildet bereits den Höhepunkt in Sachen Action. Stattdessen geht es wie in beinahe allen Ghibli-Filmen um zwischenmenschliche Beziehungen, welche durch Charaktere getragen werden, die man schon nach wenigen Minuten ins Herz geschlossen hat. Dass der Film mit fortlaufender Spielzeit ein wenig vorhersehbar ist, stört nicht im Geringsten – es ist hingegen sogar schön, sich bei Ghibli wieder einmal in Sicherheit wiegen zu können. So waren die Enden von „Wie der Wind sich hebt“ und „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ doch beinahe unerträglich herzzerreißend.

Und doch werden beim Abspann viele Tränen vergossen werden, da der Song „Fine On the Outside“ sensationell traurig ist und an die vielen fantastischen Abenteuer des Studio Ghibli erinnert. Abenteuer, die man nicht missen, Abenteuer, wie man sie noch viele erleben möchte. Davon träumen darf man in jedem Fall – schließlich hat uns Studio Ghibli genau das mit seinen Filmen immer wieder vermittelt.

Meinungen

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