Es ist einige Tage vor Weihnachten und Suzanne ernährt sich bereits seit zwei Wochen nur noch von Zuckerstangen und Eierpunsch. Denn Anfang Dezember fand sie ihren langjährigen Lebensgefährten tot in ihrem Haus auf: Bei einem Einbruch wurde ihm nämlich ein faustgroßes Loch in den Hinterkopf geschossen. Auf der Trauerfeier findet sie außerdem heraus, dass ihr Freund eine Affäre mit einer Stripperin hatte. Suzanne flüchtet sich in mehrere Kaufräusche: Weihnachtsdekoration, Kleidung – und besagter Eierpunsch in Kombination mit leckeren Zuckerstangen. Doch die Einsamkeit bleibt; und Suzanne versucht kurz vor Weihnachten wieder unter Leute zu gehen, trifft sich mit ihren neuen Swinger-Nachbarn und auch mit jener Stripperin, mit der ihr Freund eine Affäre hatte.
Mit einem Budget von unter 100 000 US-Dollar kreiert Zach Clark hier mit „White Reindeer“ eine famose schwarze Komödie im Stile Todd Solondz’, der ein Meister darin ist, den Zuschauer durch seine düsteren und tragischen Thematiken zu verunsichern und diese dennoch so unterhaltsam vermittelt, dass oftmals nicht klar ist, ob man nun lachen oder weinen soll. Oder überhaupt lachen darf. Genau diese Richtung schlägt auch Clarks Independentfilm aus dem vergangenen Jahr ein. Anna Margaret Hollyman spielt die 32-jährige Suzanne in dieser bizarr unterhaltsamen Tragödie dabei ausgezeichnet. Sie ist auf natürliche Weise hübsch, doch keine Schönheit – und wenn sie mit Tränen in den Augen an ihrer Zuckerstange knabbert, kann man für sie nur tiefes Mitgefühl empfinden. In ihrer Trauer begeht sie beinahe einen Fehltritt nach dem anderen: Ihre Kaufattacken im Internet bringen schnell alle Kreditkarten an ihr Limit, sie fängt wieder an Koks zu nehmen, wird als Ladendiebin straftätig. Da hilft ihr auch die kurzzeitige Abwechslung in Form einer Sexorgie nichts, welche sie anschließend unter Tränen verlässt. „Was ist denn passiert?“, fragt ihre Nachbarin. „Das Leben“, antwortet Suzanne deprimiert.
Ein ernüchterndes Fazit, das aber wohl viele während der Weihnachtszeit nachvollziehen können, selbst, wenn sie keine derartigen Schicksalsschläge zu verzeichnen haben. Diese gewisse Stimmung, nicht das erreicht zu haben, was man sich vorgenommen hat, lässt einen diese von allen Seiten auf einen einprasselnde Glückseligkeit hassen. Aber – und vielleicht ist das gut so – der Weihnachtsgeist kämpft in „White Reindeer“ stark um Suzanne. Am Ende bleibt die Hoffnung, dass sie wieder klarkommt. Ein glückliches Ende wäre ihr schließlich zu wünschen; ganz ohne Zuckerstangen und Eierpunsch.
Meinungen
Teile uns deine Meinung zu „White Reindeer“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.