Wenn der Kapitalismus unser digitales Zeitalter zähmt, dann bändigt er gleichsam die zunächst heimelige Natur einer rasanten Expansion und darin die absurden Fähigkeiten der Technologie. Endlos sollten sie unsere unausweichlichen Ängste kreieren, die noch plausible Furcht vor Liebesdiensten im Internet und dem Absurdum der künstlichen Intelligenz. Wir fragten uns noch, wann und wie rasch ein computergestützter „Verstand“ den unseren, den menschlichen übertrumpfen würde. Es war einmal ein Computer, beäugt mit Argusaugen. Wir debattierten über explodierende Fernseher, Mikrowellen und Computer, sollten wir in unserer Unachtsamkeit ihre Adern durchkreuzen. In Zukunft würden Terminatoren unsere Anschauung von Maschinen definieren und unsere Maßlosigkeit begrenzen – indem sie uns ihre Macht zeigten. Es schien, alles wäre möglich.

Doch die Förderung künstlicher Intelligenz scheint ebenso limitiert wie die der unseren. Der wahre König heißt Inhalt, und während ein Programm alles erschaffen kann, was wir ihm nur geben, so bemerken wir auch seine Fesseln und jene seiner Produzenten. Wir hofften und hoffen noch immer, die Regierung werde einschreiten, als ein Student des Mittelstands ein Programm aufsetzte, um sich an den Frauen zu rächen, welche ihn zurückwiesen. Facebook brachte die Welt zu uns und nahm uns sogleich unsere Privatsphäre für einen globalen Raum, in dem ein jeder sein eigenes frustriertes, hämisches Abbild publizierte.

In Andrew Bujalskis entzückender Mockumentary „Computer Chess“ starrt nochmals jenes ursprüngliche Genom voller Faszination auf uns und die Schönheit des Jahrzehnts der achtziger Jahre, den Anbeginn aller Euphorie und der Internetkultur – alles war möglich. Just vor jener Dämmerung der Personalcomputer sammelten sich Programmierer, auch des MIT und der Caltech, zu einem Kongress, um ihre Programme zu erproben: Die Elektronenhirne „spielten“ Computerschach gegeneinander. Bujalski legt darin die Verwässerung der Mysterien des Analogen offen und die umfassende Romantik, verloren in einer mathematischen Welt, welche das organische Leben bedroht, da die Berechnung weiterhin die Menschlichkeit einsperrt, während sie Lebenserfahrung mit jedem sogenannten „Fortschritt“ definiert. Tatsächlich offenbart dieser Film ein Werk eines entfalteten, sensiblen Regisseurs, entfernt von der narzisstischen Welt des Mumblecore, einer Szene des frühen Jahrtausends und mit ihm der des Andrew Bujalski, inmitten von „Funny Ha Ha“ und „Mutual Appreciation“.

Im Herzen des Films lungern Peter Bishton (Patrick Riester) und Shelly Flintic (Robin Schwartz), zwei Programmierer, die mühelose Chemie in ihrer gegenseitig unbeholfenen Anziehung verknüpft und doch über wenige Blickkontakte nicht hinaus wandert. Dringlichere Aufgaben erwarten Peter schließlich, denn der Computer seiner Mannschaft, TSAR, spinnt sich lediglich fatale Züge aus seinen Synapsen. Somit soll Shelly den gegnerischen Computer mimen – und TSAR agiert; er scheint laut Peter ein angeborenes Verlangen zu besitzen, Schach nur mit einem Menschen spielen zu wollen. Die Maschine besitzt eine Persönlichkeit, die Menschen aber kommunizieren nicht, ihnen verhilft die künstliche Intelligenz bereits in „Computer Chess“ nur zu stummem Protest. Sogar die Atmosphäre hebt Bujalski zu einem Denkmal des Nostalgischen, allein weil er die Technologie dieser Ära nicht zu verstecken vermag und sich doch dem Retrofetisch widersetzt, obwohl er alles in schwarz-weiße Tinktur sogar mittels der Sony AVC-3260 hüllt. Die Lichter brennen zu Geisterbildern, der Ton wächst ebenso stumpf und platt, die Bildschirmteilung gar wirkt archaisch, Charaktere sprechen ineinander. Dem Gimmick wächst „Computer Chess“ bald empor und erzählt stattdessen eine Perspektive auf das heutige, das 21. Jahrhundert. Besitzt dieses Wurmloch der künstlichen Intelligenz schon unsere Leben?

In „Computer Chess“ fließt der Anfang gleich zu einem Ende, indem Bujalski den Anspruch des Digitalen aus dem Analogen malt. Dies ist das Erwachen eines fernen Bewusstseins, außerhalb des menschlichen. Diese Menschen spielen mit dem Riegel der Büchse der Pandora. In all seiner Schönheit blicken wir auf unsere eigene Erinnerung, wie wir selbst ein Weltraumzeitalter in den kastenförmigen Maschinen sahen. Es stellt sich heraus: Die wahren Ängste schlummerten in der Unfähigkeit der Maschinen jemals besser als wir zu sein; und uns selbst, da wir niemals etwas Besseres als uns erschaffen können.

Meinungen

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