Die Zweieinhalb-Stunden-Marke anzukratzen, hat sich in fast allen Paul-Thomas-Anderson-Filmen mühelos bewährt, denn seine generationsübergreifenden Sittengemälde, empathisch-exorbitante Liebespamphlete kommunikativer Suche, funktionierten nur in dieser Umgrenzung. „Junun“ dagegen, nicht einmal eine Stunde kurz,  knüpft Gedankenverbindungen eines vielgestaltigen Nebenwerks, eines Nebenwerks neben „Last Exit Reno“ und „Punch-Drunk Love“: kleine Projekte, die umso zärtlicher atmen (dürfen), kleine Projekte, die den großen ihre Legitimität geben. „Junun“ ist die erste Dokumentation und zugleich das erste Werk Andersons, das exklusiv auf dem Streaming-Portal MUBI erschien. Zusammengeschlossen hat sich der Filmemacher mit dem Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood, um eine indische Band und den israelischen (und zottelmähnigen) Komponisten Shye Ben Tzur zu besuchen. Es ist ein froher, erfreulich nichtssagender, nicht verstopfter Film, den man vielleicht nur nach „Inherent Vice“ erwartet hätte.

Erdrückten sich viele Anderson-Filme davor unter lärmend gestaffelter (Erzähl-)Architektur, besäuft  sich „Junun“ viel eher an dem, durch das sich Pynchons Astralreise ins drogenumnebelte Nirwana auszeichnete – am spirituellen Nichts, an der chilligen Momentaufnahme, die Füße hochlegen zu können. Und fremdländischer Musik zu lauschen. Anderson filmt (wie vor ihm Wim Wenders und „Buena Vista Social Club“) vereinzelte, statisch umkreisende Musikproben und symbolisch genuschelte Anekdoten, begegnet dem Klang einer frenetischen Zivilisation mit gleichfalls distanzierter wie geduldiger Leidenschaftlichkeit, ohne sie aus dem Off zu analysieren. Die Kamera setzt nur teilweise an, sich schwebend fortzubewegen und sich an Personen zu binden, die ihrerseits den Raum wechseln. Jene widernatürlich entflammten Bilder Indiens, samt einem imponierenden Relief von Krähen, die in den Himmel tauchen, sind von einem denkwürdigen Paradigma überhöht, dass das Regiewunderkind am liebsten immer noch Wunder am Fließband produziert.

Meinungen

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