Komödien spielen mit dem leibhaftigen Herzen des Zuschauers. Mal beäugen sie es schräg, mal schauen sie ruhig dahin oder schwingen davon, was nur zu gern in diesem Metier in reinen Lachkrämpfen endet. Julie Delpy, Regisseurin (davon gibt es bekanntlich viel zu wenige), Autorin (davon gibt es bekanntlich viele unbekannte) und Hauptdarstellerin (davon gibt es doch einige mehr) dreht den Hahn mit „2 Tage Paris“ gehörig auf und scheut ebenso nicht davor, ein Familienquartett in den Arbeitswahn mit stolpernden HD-Cams zu stoßen oder rassistische Taxifahrer auf unschickliche Amerikaner prallen zu lassen. Inmitten des Grenzgebietes befinden sich Marion (Julie Delpy) und Jack (Adam Goldberg). Die eine hauptberuflich Fotografin, der andere nebenberuflich, so darf er auch die gesamte Manschette an Urlaubsfotos für sich beanspruchen. Manches Mal überheizt er Marions schlichtes Gemüt sogar und knipst im Minutentakt elend lange Fotostrecken.

So einer, könnte man meinen, wäre vorbereitet auf die Großstadt, lebt er doch in New York, im Big Apple. Was er nicht ahnt: Paris liegt in Frankreich; und dort sind bekanntermaßen die Genitalien der Männer „not so big“ (apropos: Kinderkondome), die potenziellen Liebschaften nicht sogleich beendet und die daraus resultierenden Freundschaften umso großer. Marion, gebürtige Französin, würde tatsächlich ein Lied davon singen, wäre Jack nicht so ein verdammter Egoist und würde nicht den Typ misstrauischen Mann verkörpern, der kein französisch in Frankreich spricht (in überhitzten Fast-Food-Lokalen eher unglücklich), die Eltern des Partners in Hippie-Maßstäben bewertet und Schimmel in Badezimmern findet. Sowieso stellt Jack die hochkarätigste Sorte des verklemmten Großstädters dar, die in langen Jahren der Unschuld sich wieder auf der Leinwand festschnallt. Ein Neurotiker, der seit Woody Allens „Der Stadtneurotiker“ nicht mehr gesehen wurde, der untertauchte und seine ganze Verstörtheit mitnahm.

Natürlich hinkt der Vergleich mit dem hochprozentigen Allen, schließlich ist es Woody Allen, mit dem er stattfindet, und Allen ist einer, der das Publikum seit Jahrzehnten komödiantisch bereichert, indem er immer wieder zu neuen Schlägen ausholt. Aber auch er wird langsam alt und es sollte endlich eine Nachfolge anstehen, um seinen Posten zu übernehmen. Aber gerade eine Frau? Und was für eine. Julie Delpy verstrickt die Anhängsel des unmöglichen Schwachsinns und bindet den perfekten Culture Clash in „2 Tage Paris“ ein. Dabei schöpft sie aus der vollen Wampe ihres Herrn Papa und der Unbequemlichkeit von Frau Mama, übrigens beide leibhaftig ihre Eltern, lässt den eigenen Kater stopfen und Sex mit Jim Morrison initialisieren. Eine ganz eigene Form der sexistischen Auswüchse spannt sich auf. Doch keine der „American Pie“-Philosophie – kindliches Gefurze bleibt schließlich aus. Aber ein Foto von einem Penis an Luftballons sollte reichen, oder?

Die Hemmschwelle schwindet umso mehr, je weiter Delpys „2 Tage Paris“ erträgliche Pakete Sexismus schnürt und diese unbeschwert mit groben Kamerafahrten untermalt, sodass der Anfang fast zu schnell wirkt und vor lauter Einfallsreichtum sogar überfordert. Delpy ist dabei hoch autobiografisch und lebt ihr Faible gänzlich ohne Bedenken aus, wo sie doch ihr eigenes Mischmasch-Leben karikiert und die Strapazen des kosmologischen Reisens. Bis Daniel Brühl die Umlaufbahn des Paares betritt, spielt Delpy typisch Allen. Erster Aufschlag, erster Punkt, erster Matchball, reingehauen. Doch Delpy spielt genauso wie mit ihrer Lebensaufgabe auch mit dem Allen’schen Ritus: Sie verschaukelt „2 Tage Paris“ zu gefühlten drei, vier Tagen. Ein Kurztrip sollte es werden und Julie Delpy lässt stattdessen einen Dreitages-Marsch entstehen. Gemächlich das Ende, bombardierend der Anfang. Jack und Marion, das vollendet skurrile Liebespaar, betrinken den Frust „2 Tage in Paris“.

Meinungen

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