Anm. d. Red.: Inzwischen hat sich Sony entschlossen, den Film doch noch anhand vereinzelter Kinos und Video-on-Demand-Dienste anzubieten. Es folgt der ursprüngliche Text.

Wieder einmal erleben wir leider die spannende Geschichte vom unterschlagenen Film. Wenn ein mediales Werk normalerweise einer Zensur unterlegt wird, hat das meistens etwas mit den länderspezifischen Ansichten von Sex und Gewalt zu tun. Im Falle von Evan Goldbergs und Seth Rogens „The Interview“ sorgte jedoch jüngst eine internationale Affäre dafür, dass der eigentlich fertige und zur Veröffentlichung angepeilte Film frühzeitig aus dem Verkehr gezogen wurde. Produktions- und Vertriebsfirma Sony Pictures wurde von nordkoreanischer Seite gehackt, bestohlen und mit Terroranschlägen bedroht. Die fünf größten Kinoketten in Amerika und Kanada lehnten daher aus Furcht vor unvorhergesehenen Repressalien auch Aufführungen ab und so war man gezwungen, den Kinostart oder auch eine mögliche Video-on-Demand-Fassung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Schon früh sorgte die Komödie nämlich allein mit ihrer Thematik für Aufsehen.

Darin geht es nämlich um ein Attentat auf den gegenwärtigen Diktator Nordkoreas, Kim Jong-un (hier verkörpert durch Randall Park), ausgeführt von zwei trivialen TV-Persönlichkeiten, Moderater Dave Skylark (James Franco) und dessen Produzent Aaron Rapaport (Seth Rogen). Bevor ihnen diese brenzlige Chance angeboten wird, ist aber erst mal ein bisschen formelhafte Kennenlernphase angesagt. Man sollte nämlich beachten, dass das kreative Team vor und hinter der Kamera inzwischen eine gängige Methodik zum nicht mehr ganz eigenen Humor gefunden hat. Diese bietet zwar ein effektives Konstrukt an Gags zu einer recht einfach gehaltenen Story an, macht die Angelegenheit der eigentlichen Ansicht des Films aber umso vorhersehbarer. So etablieren sich auch charakterlich recht simplifizierte Motivationen: Aaron fühlt sich von seinen Kollegen in der Branche nicht ernst genommen und hofft auf die große Chance, sich als journalistisch wichtig zu behaupten. Der weniger besonnene Skylark ist dagegen nicht unbedingt der Hüter journalistischer Integrität, setzt auf krassen Sensationalismus und hedonistischen Spaß, verbirgt im Innern aber auch die Ambition, als wahrhaftig anerkannt zu werden.

Die Chemie dieser beiden Pseudo-Versager ist schnell erzählt, aber zumindest recht wirksam auf die Leinwand übertragbar. Franco und Rogen ergeben nämlich spätestens seit „Ananas Express“ ein funktionelles Paar: der eine dick, der andere dünn; beide trottelig, aber einer mehr als der andere. Auch hier ergeben diese bro’tastischen Kontraste den Nukleus des vorhandenen Spaßes, allen voran Franco macht aber mit seiner ungenierten Blödheit am meisten Laune. Ohnehin spürt man im Dialog den Geist des Improvisierens durchscheinen, sich gegenseitig mit kruden Vergleichen, doofen Fressen, popkulturellen Referenzen und natürlich mindestens 1000 Sex-Witzen zu überbieten. Gehemmt wird jene ernstbefreite Freiförmigkeit allerdings immer wieder von der forcierten Abarbeitung der Handlung, welche sich in Form von CIA-Agentin Lacey (Lizzy Caplan) ankündigt. Nachdem sich nämlich herausstellt, dass Kim Jong-un ein Fan der Dave-Skylark-Show ist und für ein persönliches Interview bereit wäre, wittern nicht nur Dave und Aaron eine Chance, die Weltgeschichte für sich zu bestimmen.

So werden die Zwei angeheuert, den Führer der abgeschirmten Volksrepublik mit Hightech-Gadgets und versteckten Fatalitäten auszuschalten. Doch das erweist sich, nicht nur angesichts aller Nervosität, schwieriger als gedacht. Skylark fällt nämlich schon früh auf die äußere Manipulation der Regierung rein, wie die Zustände im Land und im Volk seien und vor allem, was Kim doch eigentlich für ein cooler Typ wäre. Der spielt eben auch wie jeder amerikanische Bube gerne Basketball, feiert spritzige Partys, hat Bock auf Knarren und hört Katy Perry, fühlt sich von aller Welt schlicht missverstanden. Aaron riecht den Braten, kann aber nur schwer die Ausführung der Mission vorantreiben, jetzt wo sein Kumpel Dave von der Oberfläche des Regimes bevorzugt willkommen wurde. Ihm zur Seite steht da nur noch eine mutige Frau aus den Reihen des geheimen Widerstandes, Sook (Diana Bang). Aaron verliebt sich in sie, weil Uniformen auch auf das männliche Geschlecht einen heißen Eindruck machen. Sie macht aber bald deutlich: Kim umzubringen würde nichts ändern, man müsste ihn vor seinem Volk nur menschlich machen, ihn von seiner Unantastbarkeit lösen, damit die indoktrinierten Massen anfangen könnten, sein Regime zu hinterfragen.

Jetzt muss nur noch Dave überzeugt werden, mitzumachen, aber nachdem er die wahre Fratze seines Gastgebers und dessen gefoppter ökonomischer Gestaltung seines Landes entlarvt, ist er Feuer und Flamme, so zurückzuschlagen, wie er es am Besten kann: Den Diktator mit den Trivialitäten aus der emotionalen Reserve zu locken, die er für sich selber als Guilty Pleasures innehält, seinem Volk aber natürlich nicht zugänglich macht. Mit den einfachsten und entbehrlichsten Popkultur-Bedürfnissen der Globalisierung wird die politische Revolution vorangetrieben. „The Interview“ will da eine Ode an die clevere Dummheit des American Way of Life sein, in seiner Berechenbarkeit bemerkt man jedoch bezeichnenderweise, wie wenig Mühe man sich gegeben hat, jenseits allgemeiner Feindbilder in der Darstellung Nordkoreas weiterzugehen, Handlung und Situationskomiken darum zu drehen. Das Witzpotenzial lässt sich daher auch nur bis zu einer recht niedrigen Grenze ausschöpfen, je kleingeistiger hier politische Mechanismen zur platten Satire aufgearbeitet werden.

Der Gedanke, solch totalitären Gräueltaten mit einer ausgelassenen Naivität entgegenzutreten, ist dabei weiß Gott kein verkehrter und erst recht kein neuer. Chevy Chase und Dan Aykroyd durchliefen auf die Art schon die Unsinnigkeit des Kalten Krieges in „Spione wie wir“ (1985), waren dabei auch auf der Suche nach Frieden, kamen aber noch zu einem versöhnlichen Schlusspunkt der Verbrüderung. Hier versucht man eine ähnlich drollige Unbedarftheit, der Drang zum jingoistischen Auftragsmord liegt aber dennoch stets in der Luft und findet letzten Endes auch seine gehetzte und kathartische Erfüllung. Man macht es sich einfach und verspricht ein Happy End amerikanischer Kopf-durch-die-Wand-Strategie, bei der reichlich in Zeitlupe geballert und Finger abgebissen werden. Eben der jugendliche Wunschtraum vom B-Actionfilm und dementsprechend als Protestmittel kaum ernst zu nehmen, weshalb der Ruf des Streifens als Film des Terrorismus – so betitelt durch die Hackergruppe Guardians of Peace – eine maßlose Übertreibung darstellt.

Dem „Interview“ fehlt es nämlich trotz oberflächlicher Provokation an einem originären Biss, aber insbesondere mangelt es ihm an Überraschungen und Pointen, die man sich nicht selbst ohne Vorkenntnis zusammenknobeln könnte. Wenn da nicht die gelegentlichen, abwegigen Kommentare Francos wären, hätte man nämlich ein durchweg biederes Prozedere an der Hand, das Allgemeinplätze abgrast und sich sichtlich bemüht, deren auch in der Laufzeit spürbaren Leere mit pubertärer Energie zu füllen. Aber für die potenzielle Zuschauerschaft jener mehr oder weniger brisanten Späße gilt ohnehin erst mal eine gewisse Leere abzuwarten, bis entschieden wird, wie man weiter mit dem Film verfährt. Auf eine internationale Eskalation mag man dabei nicht hoffen, erst recht nicht, wenn eine schlichte Komödie der Grund dafür sein sollte. Eine Sache lernen wir aber wieder mal aus dieser Geschichte: Es gibt keine Garantie für Kunstfreiheit. Da verpasst man in diesem Fall künstlerisch nicht viel, aber dafür umso mehr an Rechtmäßigkeit.

Meinungen

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