Wald, Wiese, Einöde, Trecker, Metallbriefkästen, Seilbahnen, Schafe auf der Straße, Trampolin springende Kinder im Garten. Skoddeheimen eben. Irgendwo im Westen Norwegens. Ein fiktives Kaff kreiert für Idylle, Mühsal, Unterdrückung, Pubertät – für die ebenso fiktive Spaßgesellschaft des dörflichen Nichtstuns. Aber immerhin: Es gibt Telefonsex – auf dem Küchenboden – und der Hund schaut dabei zu, lüstern, verstört. Gut, dass die stets sorgenden Erziehungsberechtigten (eigentlich nur die Mutter) jedoch nie allzu fern sind. Aus die Rekelei, ran an die Hausaufgaben. Doch zumindest Alma (demonstrativ zart: Helene Bergsholm), das Mädchen am Hörer, träumt darauf weiter, als sie Artur beim Spazieren mit dem Hund trifft. Wieder Blicke, lüstern, verstört. Auch später, da Alma sich mit ihren zwei Freundinnen (Typ Lippenpflegefanatikerin und Typ Weltverbesserin) etliche Sixpacks Bier für die Fahrt mit dem Schulbus, zum Klassenzimmer, Bushäuschen, zur Party erschleicht. Vorher aber natürlich noch ein Mittelfinger für Skoddeheimen. Und später ein Schwanz, der sie gepiekst haben soll. So skaliert sich die Tristesse mit der potenziellen ersten Liebe zu einer melancholischen Exkursion – in die Pampa, aber auch in das feminine Herz des Erwachsenwerdens.

Dabei kollidiert in Jannicke Systad Jacobsens Debüt „Turn Me On“ immerzu ein entsättigter Schleier, durchaus auch in 16mm-Ästhetik, mit dem urbanen Stelldichein und der Suche einer Erlösung im hormonellen Überschuss. Was nicht nur die aufkeimende Not nach Sex und Nähe bedeutet, sondern gleichsam, emotionale Grenzen und geografische Barrikaden zu sprengen; schlicht hinaus in eine Welt zu flüchten, die es in der Provinz nun eben kaum gibt. Einmal sogar fährt Alma per Anhalter nach Oslo zur älteren Schwester ihrer Freundin Sara, wo sie die einzige Instanz vermutet, welche ihre erotischen Tagträumereien möglicherweise richtig zu deuten versteht. Anderswo hieße das: dem Freigeist folgen und am besten gleich die sexuelle Revolution anstreben. Dort folgt in Wahrheit aber, was „Turn Me On“ als wagemutiges Werk eines Genres definiert, in dem bislang zuhauf über männliche Schalthebel debattiert wurde, die Frau allerdings höchstens als Objekt oder Katalysator der Neufindung und -entdeckung fingierte. Die Regisseurin Jacobsen versteht dagegen mit Ironie und bisweilen entzückend trockener Alltäglichkeit darüber zu erzählen, wenn Frau sich einfach anfassen muss.

Meinungen

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