Eine Frau mit Klampfe. Ein Kerl mit Alkoholproblemen. Sie singt, er hört zu. Doch trunken wie er ist, sieht und hört er mehr, als die Realität aufspannt. Unsichtbare Hände lassen nach und nach weitere Instrumente einsetzen: ein Klavier, Schlagzeug, eine Geige. So formuliert John Carney in einer einzigen Szene die Frage, wie aus einzelnen Tönen Musik entstehen kann. Musik, deren Töne das Herz bestenfalls anleiten, zu bersten, wie sie es schon in seinem Debüt „Once“ taten. Damals spielte das Lied eine andere, man möchte meinen, raue Variation desselben Grundmotivs: ein Kerl mit Klampfe. Eine Frau mit Liebesproblemen. Er singt, sie hört zu. Bei ihrer ersten Verabredung stolpern sie in ein Musikgeschäft, in dem die Frau öfter auf dem Klavier spielt, weil sie kein eigenes besitzt. So spielt sie auch bei ihrer Verabredung, bis der Kerl auf seiner Gitarre in die Komposition einsteigt. Die Liebe meint es mit beiden später zwar nicht gut, doch dieser Moment: Er ist der blanke musikalische Sex; er ist Anspannung, Erlösung, Übereinkunft.
Aus dem Staubsaugerreparateur und der tschechischen Rosenverkäuferin werden in „Can a Song Save Your Life?“ nun Dan (Mark Ruffalo) und Gretta (Keira Knightley). Nicht mehr der Guy und das Girl, sondern ziemlich abgehalfterte Existenzen in New York. Dan ist Mitgründer einer jetzt erfolglosen Plattenfirma, lebt getrennt von seiner Frau, Musikjournalistin, und sieht seine Tochter, pubertierend, einmal im Monat. Gretta arbeitet offensichtlich gar nicht, lebt zusammen mit Dave, Musiker, und lässt sich von einem Freund, Kazoo-Liebhaber, zwingen, seinen Gig aufzublasen. So treffen Dan und Gretta einander: auf der Bühne, die des Kennenlernens im Musikgeschäft nicht unähnlich ist. Die Liebe meint es mit beiden auch hier nicht gut, aber das ist ein einziges Glück. Obwohl es dem Film dadurch an jenem blanken musikalischen Sex mangelt. Dafür stäubt Carney die Diskrepanz aus Leidenschaft und Kommerz mit einem unterdrückten Pop-Musical, welches ohne Schwurbel und sogar ausufernde Debatten allein von den Momenten erzählt, die einen mit Musik im Ohr durch die Nacht schlendern lassen. Auch dies meint wieder eine Idealisierung, wie es in „Once“ schon die Idealisierung der Liebe war. So frei von Zynismus, man schaudert ein Stück weit.
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