Jeden Tag zur Arbeit, jeden Tag zur Beichte. Eddie Mannix’ (Josh Brolin) alltäglicher Zyklus als Filmstudiomanager von Capitol ist nicht einfach. Stars müssen geboren, Imageschäden vermieden werden. Was nicht passt, wird passend gemacht: Ein leibliches Kind einer Filmdiva (Scarlett Johansson) soll von ihr selbst adoptiert werden, da der Vater nicht mitspielt – und ein Lasso schwingender Cowboy (Alden Ehrenreich) springt als Ersatz für eine Umsetzung eines Broadway-Stücks vom Pferd in einen Smoking. Die Traumfabrik lässt die Leute an etwas glauben, lässt sie träumen. Inmitten des Traums befindet sich ein weiterer Schauspieler: George Clooney, alias Baird Whitlock, der von kommunistischen Drehbuchautoren entführt wird und in einer Capitol-Produktion als römischer Held Jesus begegnet. Drei Jahre nach „Inside Llewyn Davis“ eröffnen Joel und Ethan Coen so mit „Hail, Caesar!“ die 66. Berlinale. Die perfekt getimte Komödie über die Traumfabrik Hollywood in den fünfziger Jahren bietet eine für die Regisseure typisch gelungene Mischung aus Unterhaltung, Situationskomik und Spannung.
Interessant sind die zahlreichen Metaebenen, die Joel und Ethan Coen ohne Mühe miteinander fusionieren. So sieht Mannix nachts stets ein Resultat der Filmemacher und Schauspieler, deren Arbeit wiederum zuvor filmisch begleitet wurde. Ralph Fiennes spielt einen kultivierten Regisseur, der auf traditionelle Dramen spezialisiert ist und mit dem bereits erwähnten Cowboy Hobie Doyle drehen soll. Der sich nur langsam anbahnende, aber sofort bemerkbare Konflikt endet in einer Endlosschleife von Textinstruktionen beziehungsweise Doyles vergeblichen Versuchen der Imitation. In diesen Momenten offenbart das Regieduo seine sorgfältige Art, einer Situation durch Spiel und Atmosphäre Komik zu entlocken. Als Mannix die fertige Szene ansieht, erstickt währenddessen fast die Cutterin (Frances McDormand) an ihrer Krawatte; anschließend sehnt der Zuschauer nur zu gerne Mannix’ Reaktion auf Doyles Unvermögen herbei, das sich jedoch im fertigen Film in sehr ironischer Weise wandelt. Die Charaktere der Brüder sind wie immer originell und witzig, selbst die kleinste Rolle funktioniert, auch weil sie nicht selten starbesetzt ist. Ein satirisch angehauchter Erzähler versammelt die verschiedenen Geschichten und verbindet sie auf angenehme Weise, passend zu den wundervollen Bildern des Kamerameisters Roger Deakins. Es ist nicht verwunderlich, wenn der Zuschauer bei einer umwerfenden Synchronschwimmerinnen-Szene wortwörtlich in das träumerische Becken Hollywoods eintaucht. Auch die Tanzeinlage von Frauenliebling Channing Tatum ist beeindruckend koordiniert.
Ein wenig schade ist jedoch, dass die Grundstory zwar aufgrund der vielen Charaktere gut funktioniert, die emotionale Tiefe aber vernachlässigt wird. 106 Minuten reichen eben nicht aus, um alles zu bewerkstelligen. Daher bleiben manche Ideen skizzenhaft und interessante Charakterzüge auf oberflächlicher Ebene. Tilda Swinton fasst diese Schwäche in der Pressekonferenz gut zusammen: Ihre Doppelrolle als nerviges Journalistinnen-Zwillingspaar blitzt immer nur kurz auf, schön eingegliedert in den repräsentativen Alltagswahnsinn von Eddie Mannix. Sie habe sich selbst vorgestellt, dass die Geschwister erfolglose Schauspielerinnen sind und nun auf anderen Wegen versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Dabei leistet sie sich augenzwinkernd einen Seitenhieb gegen die Pressearbeit. Außerdem kenne das Filmteam die Innen- und Umwelt der Charaktere weitaus besser als der Zuschauer, der nur einen kleinen Ausschnitt davon zu sehen bekäme. Da konzentrieren sich die Brüder eher auf die größte Rolle des Films: Josh Brolin überzeugt mit seinem feinfühligen Spiel auf verschiedenen Ebenen. Wenn er Baird Whitlock zurechtweist, könnte er Sergeant der US-Army sein; während der Beichte zeigt sich sein verletzlicher Kern, der Halt in Gott gefunden hat. Ein problemlösender Held, den die Coens mit vielen verschiedenen menschlichen Zügen erschaffen und der als Studiomanager seinen Verein dahin gehend leitet, keine freie Zeit für sich oder seine Familie zu haben.
Die Filme von Joel und Ethan Coen überschreiten so gut wie immer den Schritt für das mechanische Einordnen in eine Schublade. Viel zu viele Referenzen, viel zu viele Tendenzen, viel zu viele Kompetenzen machen sich in ihrer eigenwilligen, oft schwarzhumorigen Herangehensweise an einen Themenkomplex bemerkbar, als dass man ein Werk von ihnen auf ein Genre reduzieren könnte. Dies betrifft auch ihren 17. Film, „Hail, Caesar!“, der den Zuschauer niemals überladen mit den verschiedensten Einflüssen aus Western über Film Noir bis hin zur Komödie bedient. Es wirkt wie antike Science-Fiction, wenn die Kommunisten mit einem U-Boot ins Meer abtauchen, während Baird Whitlock vergeblich nach dem Wort Glaube sucht, aber vorm sterbenden Jesus den Glauben erklärt. Mehr Coen geht nicht!
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