Beim inzwischen dritten Teil der von Luc Besson und Robert Mark Kamen erschaffenen „96 Hours – Taken“-Reihe – erneut mit Liam Neeson in der Hauptrolle als Ex-Genickbruchagent Bryan Mills – muss man sich zeitweise doch laut die Frage stellen, ob die Grenze zur Selbstparodie schon längst überschritten ist oder noch halb gar im Subversiven lungert. Schon zu Anfang scherzt Mills-Tochter Kim (Maggie Grace), wie vorhersehbar ihr Vater doch eigentlich immer sei, weshalb Neeson aus seiner mimischen Palette das bei ihm selten gesehene Lächeln herauszaubert und mit Sonnenbrille und Wein einen Plüschpanda an ihre Haustür schleppt. Jener Überraschungsmoment wiegt allerdings nicht so einschlagend, wie eben jene Offenbarung, Neeson als ruppigen Actionstar zu stilisieren, wie es in Pierre Morels Erstling von 2008 stattfand. Seitdem sind aber schon die Jahre sowie Morel ins Land gezogen. Nachdem Ersatzregisseur Olivier Megaton der Fortsetzung jene reizvolle Grundprämisse bis zur Lächerlichkeit weg kastrierte, liegen die Erwartungen an dem Triple-Erwartbaren eher flach.

Man braucht dann auch keine Enttäuschung vorheucheln, sobald der zurückgekehrte Megaton erneut jeden Moment per Bild und Ton übersteigert und jede Szene wie eine Action-Sequenz schneidet. Nur eben nicht die Action-Sequenzen selbst – die verhaken sich meist mit bruchstückhaften Schnipseln in eine komplette Inkohärenz und lassen wundern, ob Neeson überhaupt noch in einer Einstellung über einen Zaun klettern könnte. Lediglich einem klassischen Szenario, einem Scharmützel in einem Getränkemarkt, kann man da noch choreografische Vermittlung und einen schlagkräftigen Drive anmerken; ansonsten bleibt dank dem PG-13-Rating auch wieder so einiges unbeholfen der Fantasie überlassen. Aus diesen ganzen Umständen heraus könnte sich ein weit verstärkter Frust herleiten, wäre da nicht das im Hintergrund zu erkennende Bekenntnis zur ausgelassenen Doofheit. Anfangs jedoch bemühen sich die Drehbuchautoren Besson und Kamen sowie Megaton, ihrem Protagonisten eine charakterliche Dimension alltäglicher Spannungen, Freuden und Verlusten einzuverleiben – und zumindest dort treffen sie, wenn auch technisch gehetzt und simpel, auf effektive Genre-Knöpfe.

Sobald Bryan Mills, voll kämpferischer Skills, verdächtigt wird, seine Ex-Frau Lenore (Famke Janssen) ermordet zu haben, beginnt für ihn eine Hatz durch L.A., verfolgt von der Polizei und – wie sagt man so schön auf DVD-Covern – in die Enge getrieben. Doch wie bereits in seinen zwei Film-Abenteuern zuvor ist Neesons Figur ein Kenner des Umfelds und mit früheren Partnern gesegnet, die ihm bei der Aufklärung der wahren Täter behilflich sind, während er wie einst als Peyton Westlake in „Darkman“ (1990) in einer verlassenen Lagerhalle Pläne dazu entwickeln kann. Bis dahin schafft er es aber als Flüchtiger, den Gesetzeshütern, angeführt von Detective Franck Dotzler (Forest Whitacker) sowie dessen unerklärlichen Eigenarten im Spiel mit Gummibändern und Schachfiguren, zu entkommen – sei es durch einen Kanalisationsschacht, der sich zufällig unter der Garage einer wahllosen Wohnung befindet oder durch eine Massenkarambolage, welche er nach einer gewollten Festnahme seinerseits auf dem Freeway anzettelt. Belangt wird er für solche Gesetzeswidrigkeiten später nicht, denn in Sachen Ex-Gattin-Mord bleibt er ja durchweg unschuldig.

Die Fantasiewelt, in der „96 Hours – Taken 3“ spielt, weiß nur zu gut um die zahlreichen Klischees ihrer selbst, reicht diese deshalb immer wieder ein Stück weit umgekehrt im Pacing herum, obwohl schlussendlich doch nur das Obligatorische hinausgezögert wird. Da werden per Inszenierung sinistere Unterschwelligkeiten gewisser Charaktere aufs Plakativste suggeriert; erfüllt werden diese letzten Endes aber nicht. Stattdessen läuft alles auf den Täter zurück, den man von Anfang an vermutet hat – wie bei einem trivialen Whodunit?, ebenso spielerisch, doch eben so oder so immerzu abgetretene Trivialitäten durchspielend. Gleichsam (bewusst?) uninspiriert geraten auch die jeweiligen Offenbarungen dazu, meist geschaffen durch bequeme Zufälligkeiten und hanebüchene Rückblenden der Erklärung. Das erweckt parodistische Erinnerungen an Leslie Nielsens Frank-Drebin-Exzesse, erst recht, wie anhand jener narrativer Mittel mehrmals Zweifel getilgt werden, wie Bryan aus explodierenden oder abstürzenden Autos entkommen konnte.

Jedoch beißt sich die potenzielle Ungeniertheit des Schwachsinns mit dem ernsthafteren, erzählerischen Versuch einer Familiendynamik der Mills in Zeiten der Trauer, Furcht und Jagd. Dem Patriarchen bei der handgreiflichen Arbeit der Vergeltung zuzusehen, könnte da noch eine kathartische Funktion einnehmen, würde der Film dann nicht immer noch mit Stolz hervortreten, mutmaßlich etwas abwegigere Pfade und Konzepte einzuschlagen, die jedoch aufgrund ihres extrem spekulativen Realitätssinns schlicht zum Auslachen einladen. Da unterminiert man teilweise die bittersüßen Gesten Bryans, geheimerweise ins Leichenschauhaus einbrechen zu müssen, um seine Für-immer-Geliebte noch einmal sehen zu können. Oder auch die Bemühungen seiner Kollegen, Tochter Kim bei der Beerdigung beizustehen und den Kontakt zum versteckten Vater aufrechtzuerhalten, obwohl die Polizei überall potenziell mithören will.

Das kreative Team hinter dem Film setzt da auf einen herzlichen Familiensinn an, lädt dann aber doch lieber für Genre-Schauwerte durch, die in ihrer Montage für großkalibrige Kopfschmerzen sorgen oder Fleischwunden in den Lachmuskeln einreißen. Trotz glatt gebügelter Produktionskasse reicht es da für kein erfüllendes Gesamtbild: Altbekanntes wird bloß um einige Winkel herum neu gedreht, weder der angepeilte Charakteraufbau noch die reißerische Action finden eine wirklich stimmige Resonanz und zusätzlich fühlt man sich als Zuschauer nicht ernst genommen. Aber irgendwie trägt man da auch als letztgenannter selbst Schuld – Neeson wollte schon gar nicht mehr an einen dritten „Taken“ denken. Nun bietet er dafür in seiner Performance einen mittelschwer-bocklosen Pulp auf, der sicherlich amüsiert, aber von der erfrischenden Ruppigkeit des Erstlings weit entfernt ist. Gut, dass man darauf schon seit dem zweiten Teil nicht mehr hoffen durfte, da bleibt einem immerhin noch ein Spaßvertreib der ganz uneinigen Sorte. Alle anderen bleiben besser mit erhaltener Würde zu Hause oder schauen nochmals den besseren Neeson-Thriller aus letztem Jahr, „Non-Stop“.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „96 Hours – Taken 3“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.