Der dritte Teil von George Millers Geschichte über seinen illustren Straßenkrieger, „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“ geschah erstmals mit amerikanischer Finanzspritze und einem massentauglichen PG-13Rating, weshalb eine inhaltliche und gewalttechnische Reduktion abzusehen war. Max und Miller mussten sich schein- und sichtbar einem publikumsfreundlicheren Appeal unterordnen (Maurice Jarres Score packt dafür sogar ein Didgeridoo aus), allerdings war der Film an sich zunächst auch wirklich als Kindergeschichte gedacht und wurde erst im Nachhinein mit der Figur und Welt von Max verbunden. Man kann dem kreativen Team jene Entscheidungen also nicht ganz so streng zur Last legen – erst recht, wenn man bedenkt, dass Miller seinen alten Kollegen Byron Kennedy während der Drehortsrecherche bei einem Hubschrauberunfall verlor und wahrscheinlich deshalb auch einen großen Anteil der Regie an George Ogilvie abtrat. Da kann man die Einbußen in der Bösartigkeit des Ambientes gut nachvollziehen und sich umso besser auf die versöhnliche Entwicklung von Max konzentrieren, welcher allmählich endlich seinem seelischen Martyrium zu entkommen scheint.

Nichtsdestotrotz stellt man schnell fest, dass der dritte Streich der Trilogie den wohl aufwendigsten Look innehat: Die Kinematografie ist wie gehabt von erlesener Qualität, aus den Kostümen und Sets suppt geradezu ruppige Verlebtheit heraus und vor allem dramaturgisch erfährt man eine geradlinige Vermittlung. Eine Abkopplung von der schönen Eigensinnigkeit des Erstlings, aber dennoch kurzweilig. Allerdings kann der Film nicht die Eleganz des Vorgängers aufweisen, dafür quartiert er sich ausgiebigst in die zentrale Barter Town ein, mit all ihren angehenden Regenten (Tina Turner als Auntie Entity, Angelo Rossitto als Master und Paul Larsson als sein Blaster), unterirdischen Rohstoffen (Schweinekacke en masse), den dazugehörigen Sklaven sowie dem Zentrum schicksalhafter Konfrontationen, der Donnerkuppel. Letztgenannte Arena stellt nach der Infiltration von Max – der eigentlich nur seine jüngst gestohlenen Wertsachen wiederholen wollte – das erste von wenigen Action-Highlights im Film dar. Hier wird mit Waffen gekämpft, die das Publikum von den äußeren Rängen ab weiterleitet und so einen gladiatorischen Wettkampf herbei grölt, bei dem die Kontrahenten zudem an Gummibändern durch die Luft geschleudert werden.

Die Fantasie der Dystopie hat Miller offensichtlich noch längst nicht verlassen, jedoch lässt er in seinem Prozedere langsam durchsickern, dass man hier nicht in jene Extreme vordringen wird, welche die Vorgänger eröffneten. Stattdessen verschlägt es Max im jugendkompatiblen Abenteuer in ein Exil in der Wüste, wo er dem Verdursten nahe von einer Gruppe wilder Waisenkinder aufgefunden wird. Diese halten ihn für den lange verschollenen Captain Walker, der sie als prophetischer Erlöser ins Tomorrow-Morrow-Land führen soll. Peter Pan lässt grüßen. Auf jeden Fall eine ungewöhnliche Situation für unseren Max, der aber auch in jedem seiner Filme ganz neue Perspektiven der verlorenen, hier nun explizit post-nuklearen Welt erlebt. Doch auch da gibt er den zurückhaltenden Eigenbrötler, der die Hoffnungen der Kids etwas ernüchternd in Perspektive setzen muss – allerdings auch nur, weil er weiß, welche Gefahren draußen auf sie lauern würden. Und sowieso sollte seit Teil eins klar sein, dass er ein Herz für verlorene Kinder hat.

Die enttäuschte, doch dickköpfige Anführerin des Kinderstammes, Savannah (Helen Buday), macht sich dennoch auf, das gelobte Land zu entdecken. Da kann Max einfach nicht anders als hinterher, erst recht, nachdem er gesehen hat, wie sehr die Kids an eine bessere Zukunft mit einem zivilisierteren Lebensstandard glauben – siehe die ergriffen inszenierte Präsentation ihres Flugzeugwracks. Fortan ist die Erfüllung dieses Traumes aus der Mitte feindlicher Zonen heraus sein oberstes Ziell. Diesmal waltet jedoch kein Zorn bei seinem Streben nach Wiedergutmachung, welches die Balance zwischen Recht und Unrecht wieder einpegeln will. Selbstaufopferung kommt aber erneut zum Einsatz, hinterlässt jedoch erstmals keine neue Narbe. Auch das Böse und Anarchische scheint die Blutrünstigkeit nach einem Spektakel automobiler Verfolgung zum Schluss hin ausnahmsweise in der Tasche stecken zu lassen.

Das ist ein versöhnlicher Schlusspunkt – und spricht mittels des ruhigen Endes durch den stillen roten Sandsturm (quasi auferstanden aus Sydneys Ruinen) Bände. Max selber hat wie immer nicht Teil daran, doch sein Wille ist sichtlich geschehen: Seine Funktion als Vertreter der Gerechtigkeit hat sich endlich gewissenhaft (zurück zur Menschlichkeit des ersten Teils) erfüllt und jene als Rächer wohl endlich ihren Frieden gefunden. Doch welchen Weg wird er jetzt, knapp dreißig Jahre später, in Form von Tom Hardy gehen, wieder hineingeworfen in die reißenden Fänge der hinterherjagenden Zerstörung? Wie auch immer es laufen (oder besser gesagt fahren) wird: Für einen Straßenkrieger gibt es immer eine Spur nach vorne!

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