Knapp dreißig Jahre hat die Filmwelt gewartet, um 2015 ein neues Kapitel australischer Leinwand-Manie aufschlagen zu sehen: „Mad Max“ brettert nämlich zurück auf seine Fury Road. Da schrauben wir gerne die PS hoch, schauen aber gleichsam in den Rückspiegel zu allen zuvor erschienenen Teilen der Reihe. Nicht, dass es eine mühsame Obligation wäre – denn in vielerlei Hinsicht dürfte das gepflegte Baby von Regisseur George Miller und Produzent Byron Kennedy als eine der grandiosesten Action-Serien aller Zeiten gelten. Natürlich denkt man dabei hauptsächlich an den zweiten Teil, der so ziemlich im Alleingang die große Welle des postapokalyptischen Films ab Anfang der Achtziger im Weltkino anzettelte. Doch bereits 1979 nahm all dies als lupenreines Ozploitation-Vehikel seinen Anfang, nämlich im Debütwerk des 34-jährigen Miller, welches in der Darbietung Stunt-fixierter Energien schon einige Jahre zuvor von Kollegen wie Brian Trenchard-Smith („Der Mann von Hongkong“) vorweggenommen wurde, doch eine verdorbene Welt präsentierte, die das Rebellentum von „Uhrwerk Orange“ in einen Fleischwolf verwandelte.

Die einleitenden Momente weisen das wilde, noch wieder erkennbare Territorium als „A few years from now …“ aus; insgesamt herrscht also noch eine Grundfassung vom kontemporären, zivilisierten Leben in Australien. Doch allmählich zerbröselt diese an allen Ecken und wird von raubenden und mordenden Rasern terrorisiert, sowie gleichsam überladen von Miller in Szene gesetzt. Der Zorn der Straße, der Horror der Anarchie und die Abstumpfung gesellschaftlicher Konsistenz jagt wie eine Achterbahn durchs Hirn – inklusive pausenlos dröhnendem Brian-May-Score. Die einzige erdende Eigenmacht bildet sich aus Polizist Mad Max Rockatansky (Mel Gibson) und seinem Nitro-Dienstwagen der Marke Interceptor, welche zusammen gewissenhaft das Verbrechen bekämpfen, vertreten durch Figuren wie den Nightrider (Vincent Gil), und zudem an eine junge Familie mit Frau und Sohn gekoppelt sind. Jessie (Joanne Samuel), die Frau von Max, trägt dabei die meiste Sorge um ihren Gatten mit sich. Doch noch ist er sicher bei der ehrenvollen Sache. Er zieht seinen Job durch, ganz charmant und unverbraucht wie der junge Gibson eben auch dabei aussieht.

Durch seinen Kollegen Jim Goose (Steve Bisley) – der von der berüchtigten Bande des Toecutters (Hugh Keays-Byrne) entstellt wird – erkennt unser Titelheld jedoch die Gefahren, die der rechtschaffenen Seite des Gesetzes zuteilwerden. Darum quittiert er bei seinem exzentrischen Vorgesetzten Fifi (Roger Ward) vorzeitig den Dienst. Dass Letzterer dabei mit freiem Oberkörper seine Blumen gießt, ist nur eine der vielen Irrwitzigkeiten, die der Film unterbreitet. Unabhängig davon wird dann eine filmisch unberechenbare Brutalität erschlossen, die den psychischen Faktor der Angst klaustrophobisch in die Netzhaut brennt; sich in maßlos chaotischer Zerstörung von Karren und Körpern entlädt. Kein Wunder, dass Max die Ruhe und den Frieden trauter Zweisamkeit auf dem Land sucht. Dort probiert er sich von der urbanen Gefahr abzukapseln und die Ängste im Angesicht nihilistisch rücksichtsloser Endzeit-Stimmung hinter sich zu lassen. Doch kaum anders wie in jedem anderen klassischen Rachefilm bleiben die Zurückgezogenen auch davon nicht verschont – speziell Jessie, die von den Raudis wie jede Frau als sexuelle Beute erspäht wird.

Die grenzenlose Jagd des Vandalismus führt in die intimsten Ängste der Familie und selbst deren starker Verteidiger Max kann das Übel nicht aufhalten. Ab jenem Zeitpunkt aber wird der Zünder der menschlichen Bombe für die gesamte Reihe aktiviert, brennt nach Rache und zieht mit dem pechschwarzen Interceptor eine explosive Linie in den sich bis zum Horizont erstreckenden Staub. Trotzdem keine einfache Sache für unseren innerlich zerstörten Helden: Ein Bein wird für immer zerschossen; ein knallig-spritzender Ausdruck aller inneren Wunden, die Max zugeführt wurden. Dennoch wird Max schier unaufhaltbar auf seinem Weg der Vergeltung – ein tragischer Mordskerl, der unweigerlich in diese Welt des Chaos eintaucht, welche er sowieso nicht mehr aufhalten oder neutralisieren kann (wie das Sequel beweist).

So sehr Miller mit seinem anfänglich sperrigen Konzept einer dystopischen Welt und ihrer filmischen Sprache befremdet, so monolithisch etabliert er einen tief getroffenen Charakter, der mit der ungebändigten Wut von Kamera und Stuntwork eine neue Ära der filmischen Eruption einleitete. Doch trotz dieser ikonischen Besonderheit der Figur Mad Max und dem inszenatorischen Drive drum herum sieht man noch immer einen Menschen, einen Familienmann, einen Kollegen, der in seiner Dienststelle auch mit Minderbemittelten und später mit Zurückgebliebenen arbeitet. Allerdings bleibt er auch ein Mensch, der immer weiter zum Unmenschlichen getrieben wird und deshalb für die universelle Gerechtigkeit den Wahn der Gewalt übernimmt; diesen für sich einsetzt, aber nicht mehr zurückkommen kann. Kein Wunder, dass der Film bis vor Kurzem noch auf dem Index stand.

Meinungen

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