Hin und wieder gibt es diesen einen besonderen Film, der sein äußeres Bild übertrifft und einen unvorhersehbaren Glückszustand hervorruft. Und im Falle von Guy Ritchies „Codename U.N.C.L.E.“ tritt dieses Gefühl ein, als eine High-Speed-Verfolgungsjagd mit einem Trabbi stattfindet. Dies ist auch eines der ersten enthemmenden Symptome, die der Film in seiner Rückkehr zum Eurospy-Genre der sechziger Jahre betreibt. Diese aufgebrezelte Adaption der Serie „Solo für O.N.C.E.L.“ (1964 bis 1968) erdenkt sich den Kalten Krieg als Dandy-Abenteuer zwischen zwei Weltmächten und verknüpft Weltgeschichte mit Eskapismus. Im Retrofitting zur modern tauglichen Sause ist also Hanebüchenes erlaubt und erwünscht – Regisseur und Koautor Ritchie bleibt diesen Prinzipien treu und haucht dem Ganzen mehr Leben ein, als es eine derart späte und auf Markennamen basierende Stofferneuerung normalerweise erfordert. Die Liebe zum Detail ist schon beim Besuch im geteilten Berlin zu erkennen, welcher aber stilecht weder dort gedreht wurde noch von Muttersprachlern bevölkert wird – hanebüchene Akzente inklusive (unbedingt im Original anschauen!).
Nun versteift sich der Film aber nicht auf offensiven Klamauk, wie es zum Beispiel „Mortdecai – Der Teilzeitgauner“ versuchte. Stattdessen trumpft er mit glaubwürdigen Straight men auf, aus deren Souveränität sich reichlich trockener Humor schöpfen lässt. Henry Cavill ist als amerikanischer Agent Napoleon Solo ein idealer Kandidat: Mit schwarzer Locke, robustem Torso und einem Kinn für Götter strahlt er legitime Suavity aus, durch die der plakative Status eines Womanizers und Schussfreudigen umso vergnügter erfüllt wird. Klischee ist hier Trumpf! Und zudem von einer Draufgängersprache geprägt, die voll oberflächlicher Coolness jeden Ernst umschifft. Den Gegenpol dazu mimt Armie Hammer als russischer Spion llya Kuryakin – ein monolithischer Schrank aus dem Gulag, der knallhart zuschlagen, doch kaum locker bleiben kann. Umso intensiver gerät seine Verbundenheit zu familiären Memorabilia, die vonseiten Ritchies in Wut und Druck aufgelöst werden, wobei die Inszenierung an die Größen des klassischen italienischen Kinos heranreicht. Stil ist aber ohnehin eine große Nummer im Film – und was unter anderer Führung zur blassen Rekreation der Vergangenheit führen kann, wird hier zur audiovisuellen Blüte eines Blumenstraußes voller Ideen im Rahmen der Genre-Regeln.
Und weil zu jenem Rahmen auch eine weibliche Begleitung gehört, darf diese hier genauso reizvoll mit einstimmen. Gemäß des porträtierten Zeitkolorits wundert es sogar, dass der Film nicht weit sexistischer geworden ist, sobald er Gaby (Alicia Vikander) als Mittlerin zwischen den Ideologien einführt – die Tochter eines brillanten Atomwissenschaftlers, der für böse Machenschaften gefangen gehalten wird. In Italien soll sie sich als Verlobte Illyas ausgeben, der sich wiederum als Architekt ausgibt. Allerdings übernimmt sie schnell die Überhand, da sie in der Freizeit gerne Kerle catcht und im Vergleich zu ihren Begleitern mehr von Mode versteht – obwohl Solo und Kuryakin Marken und Dresscodes für alle Geschlechter auswendig kennen. Gaby und Illya kommen sich in dieser gegensätzlichen Verbindung näher, Napoleon nimmt es dagegen locker und tourt mit mehreren hübschen Damen herum – als Playboy, wie er im Buche steht. Schön wird es dann natürlich, als die Recken ihre jeweiligen Fähigkeiten vergleichen und widerwillig im Auftrag des Weltfriedens ergänzen müssen. Da wird im mediterranen Klima im Smoking und mit Lederhandschuh geprügelt, getrickst und geschossen. Ganz schön tough, aber auch mächtig trivial.
Grund genug für Ritchie, den Spaß mit einer Lust zu untermauern, die zu einigen der spaßigsten Sequenzen des Kinojahres führt. Da wird ein routiniertes Actionszenario nebenbei geklärt, um Stullen, Trauben und Wein im Körbchen zu finden. Da eskaliert die Suche nach einer alten Uhr zum explosiven Extrem, ohne dass Solo schwitzt. Da verwandelt sich die Inselburg durch ein amphibisches Ungetüm zum Offroad-Abenteuer im Schlamm, bei dem der Soundtrack so heftig peitscht, als wäre George Miller im Eurochic gelandet. Ohnehin ist die Stilechtheit ausgefeilt genug, dass zwischen Titeln von Stelvio Cipriani und Ennio Morricone jedes originelle Musikstück als Weiterentwicklung spürbar wird – gleiches gilt für die visuelle Note, die eine ähnliche Sprache spricht. Man bemerke allein, wie kompakt und clever Ritchie seine Sequenzen sowie Charaktere aufbaut, Dampf macht und Situationen mit reißender Kraft vorwegnimmt, um sie im Nachhinein als ausgeklügeltes Spiel zu offenbaren – wie in einem formvollendeten Giallo, doch ebenso weit hergeholt wie bei einem typischen Agentenfilm von damals. Harry Hart aus „Kingsman – The Secret Service“ wäre höchst erfreut.
Nun sollte bei aller Lust und Laune aber nicht erwartet werden, dass „Codename U.N.C.L.E.“ sein Genre revolutioniert oder künstlerischen Mehrwert bietet, der Hintergründe aufdeckt. Für jene, die mit derartigem Anspruch an diesen Film herantreten, dürfte es also problematisch werden – wie auch politische Korrektheit eher zweitrangig ist und Style over substance als entschiedenes Motto wirkt. Glücklicherweise verhandelt der Film aber auch nicht mehr Versprechen, als er beanspruchen will und erschafft im Umkehrschluss Nervenkitzel und Witz, bei denen ein Geschick angewendet wird, wie es ausschließlich freche Briten hinzukriegen scheinen. Und wenn ein Film dieses Jahr für freche Jungs mit Faible für Vintage greatness hergestellt worden zu sein scheint, dann dieser hier.
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