Da bringt George Miller nach drei Jahrzehnten seinen ikonenhaften Straßenkrieger zurück und man kann nicht anders, als die Erfahrung mit reichlich Superlativen zu beschreiben. „Mad Max – Fury Road“ ist aber auch eine Ballade an Superlativen, wie sie höchstens alle paar Jahrzehnte in die Welt geboren werden darf. Ein Studioprojekt mit Megabudget, das scheinbar ohne Grenzen auskommt und als hundertprozentiger Autorenfilm alle Kompromisse schlicht wegsprengt? Könnte ruhig öfter so sein. Millers Inferno ist dabei weder am Konsens noch an Konventionen des postapokalyptischen Genres gebunden. Quasi als Erfinder jenes grandiosen Endzeit-Actiongenres folgt er seinen eigenen Regeln und tüftelt mit ungebrochenem Elan daran, sich selbst zu überbieten: noch schroffer, noch bombastischer, noch wilder. Die „Fury Road“ ist in ihrer Form die Ekstase einer künstlerischen Karriere und eine unnachgiebige Quelle des flammenden Wahnsinns. So dringlich, bizarr und einzigartig wie im Grunde Alejandro Jodorowskys „Der heilige Berg“ – eben ein Schrei der Kreativität.

Dabei ist der Weg, den Recke Max (Tom Hardy) hier einschlägt, eigentlich ein recht geradliniger. In der wüsten Einöde der Zukunft regiert das Böse weiterhin, nun in Form von Monsterbacke Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne), über Benzin und andere lebenswichtige Ressourcen – so weit sogar, dass Menschen zu Besitztümern werden. Max ergeht es nicht anders und wird gefangen genommen, an die Motorhaube geklemmt und Stück für Stück vom Lebenssaft befreit. Überleben ist in jenen Tagen schwer, vor allem da sich die restliche Erdbevölkerung innerhalb verrücktester Klans zur Horrorshow gemausert hat. Und selbst wenn man diese den ganzen Film über nacheinander kennenlernt: Man wird die Einzelheiten nur rudimentär verstehen, eher erschlagen sie einen schon mit fantasievollem Ekel und totaler Besessenheit. Der Wahn regiert und sammelt sich wie die Pest aus allen Ecken der Wüste zusammen; derartig grell und ausgelassen, dass das Feuer aus allen Rohren brennt und den Rost mit Gebrüll rasen lässt. Wehe dem, der noch Hoffnung hegt.

Dennoch legt sich Fahrerin Furiosa (Charlize Theron) mit der Übermacht der Verhältnisse an und biegt in die Ungewissheit ab. Nun beginnt eine gnadenlose Hetzjagd, alles wirft sich auf ihren Transport an geretteten jungen Damen, die sie vor der Eigentümlichkeit Immortan Joes gerettet hat. Sicherheit darf man woanders erwarten, denn hier schlägt in jedem Moment der Schrecken zu und brüllt sein Nitroglyzerin in die Atmosphäre, auf dass nicht nur Windschutzscheiben zerschellen. Der erste Weg hinaus führt allerdings in einen ebenso gefährlichen, massiven Sandsturm, welcher mit einer Größe beeindruckt, die dem menschlichen Spektakel der Jagd am Boden in etwa gerecht wird. Man muss nämlich auch bedenken, dass Regisseur Miller auf eine Greifbarkeit setzt, die Boliden in die Luft jagt, Massen an Menschen am rasenden Abhang entlanghangeln lässt und dabei derart intensiv auf die Tube drückt, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. Liegt auch daran, dass allesamt dem Wahnwitz des Titels gerecht werden und ihre markante wie abwegige Präsenz spüren lassen.

Wie kann da ein zerschlissener Überlebenskünstler wie Max noch mithalten? Nun, größtenteils schweigsam und bodenständig in der Ambition, doch ebenso erbittert und abgeklärt, da er kein Vertrauen in seiner Umwelt mehr kennt – wie gehabt eher ein Opfer der Umstände denn ein wahrer Held. Auf ihm lasten aber auch Traumata der Vergangenheit, die allesamt ein Scheitern der Hoffnung symbolisieren, wie auch die verlorene Welt nimmer reparierbar sein wird. Darum ist seine Verbindung mit Furiosa und ihren Schützlingen keine glatte Einigung, sondern zunächst auf Eigennutz erbaut. Die Hilfsbereitschaft unter den Aufrichtigen erkennt sich dennoch irgendwann an, je mehr man von außen bedrängt wird. Ruhepausen bleiben da nur wenig – die Charaktere wie auch der Zuschauer werden zum Handeln gezwungen und von der Unmöglichkeit des Willens überwältigt. Audiovisuell wird dabei in hypnotisierende Wellen der Bewältigung vorgedrungen, während Körper und Fetzen fliegen. Die Fiebrigkeit der einzigen Chance jenseits der Sklaverei vollendet sich eben zum beglückenden Adrenalinschub, der seine Kraft in allen Frauen und Männern sowie im blauen Nebel der ultrakühlen Nacht umsetzt.

„Mad Max – Fury Road“ ist permanent mitten im Moment, selbst in den Ruhephasen ein Herzrasen der nahenden Verzweiflung, in den Eskalationen ein Feuerwerk durchgeknallter Schlagkraft. Was der Film dabei erzählt, ist in seinem Rahmen ein eher stellvertretendes Schicksal und weitab von einer tiefsinnigen Erlösung mehr symbolischer Widerstand. Er ist aber dafür erst recht ein einziges Fest menschlicher Künste – sowohl, was den Fokus auf hingebungsvolle Performances angeht wie auch die Durchschlagskraft der gepeinigten Straßenkrieger unterwegs. Hier geben alle volle Power: Die E-Gitarre rockt Feuer ins Blut, das Gaspedal knallt über den Sand ins Herz und Miller zeigt allen, wie weit man mit Film noch gehen kann – to the max!

Meinungen

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Bisherige Meinungen

15. Mai 2015
20:14 Uhr

Wenn Frau wie Mann einen Sack hätte, an dem sie sich über 120 Minuten kratzen könnte: Sie würde es vermutlich tun. Wer es mit Säcken aber nicht so hat, ein Vorspiel vor dem Koitus wünscht und doch besser nicht wund penetriert werden möchte, der sollte gehörig Abstand zur Sanddystopie mit Gitarrenriffs und Kalkleisten an den Trommeln halten – oder auch nicht. Denn George Miller wirft den Berserker-Modus an und kotzt sich die Action aus dem Leib raus, bis man selbst als Universalblutspender herhalten möchte. Das ist schön, dreckig, repetitiv, kratzt im Schritt (auch bei Frau) und beißt sich durch eine verdorbene Dreckswelt, die sich die kostbare Milch aus den Zitzen ihrer Nutzfrauen pumpt. Kein Wunder, dass Tom Hardy die Worte fehlen: „Mad Max – Fury Road“ überkommt einen eben. Und danach sind alle Synapsen im Hirn geplatzt.

16. Mai 2015
00:19 Uhr

@Stefanie: Amen :D Mein Sack juckt seit Mittwoch schon und mein Hirn ist sowieso nicht mehr dasselbe.

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