Christian Clavier ist wohl inzwischen prädestiniert, den spießigen Alltagsrassisten auf der Leinwand darzustellen. Nach dem Überraschungserfolg des Klischee-fixierten Culture-Clashs „Monsieur Claude und seine Töchter“ folgt dieses Jahr schon die nächste Selbstbestätigung für Konservative von rechts außen mit Clavier in der Hauptrolle. In der Verfilmung des Bühnenstücks „Nur eine Stunde Ruhe“ versucht er als Jazz-Liebhaber Michel eine makellos erhaltene Platte von Niel Youart in seinem Heim aufzulegen. Unmissverständlich erscheint da schon der Titel des Albums, „Me, Myself And I“ – ein Credo, das der selbstherrliche Wohlstands-Dandy gerne in die Tat umsetzt und sich deshalb in seiner prunkvollen Mehrzimmerwohnung auf einen ganz persönlichen Genuss vorbereitet.
Da sollte er wenigstens einmal nicht über all das nachdenken müssen, was ihn im Verlauf des Films trotzdem beständig verfolgen wird: seine ganzen Weibergeschichten, seine frustrierte Ehefrau, sein aktivistischer Gutmenschen-Sohn, seine Karikatur von einer spanischen Putzfrau, die stammelnden Gastarbeiter nebenan und vor allem sein polnischer Quassel-Nachbar vom unteren Stockwerk. Einmal Egoist sein – das darf man sich doch wohl noch erlauben. So cholerisch Michel sich seinem Hobby widmen möchte und folglich allen Mitmenschen vor den Kopf stößt, sollte es theoretisch eine stets zu belächelnde Distanz zum Zuschauer schaffen. Regisseur Patrice Leconte spielt aber nach perfider Methode und drängt gar auf eine Identifikation mit jenem Menschenfeind, der sich über alles und jeden, vor allem über die dummen Frauen und platzraubenden Ausländer-Familien beschwert („Wie in der Dritten Welt ist das hier!“).
So konstruiert das Drehbuch schon beim bloßen Ansetzen der Nadel ein zufällig einschneiendes Ärgernis; Leconte verstärkt jene Ablenkungen jedoch mit einer entschiedenen Hippeligkeit in Kamera und Schnitt, als wäre er Olivier Megaton („96 Hours – Taken 3“). Das geht einem schon an die Nerven, ehe man merkt, wie plakativ und rücksichtslos die Charaktere mit ihren Anliegen an Michel treten. Es entwickelt sich abstoßendes Geplappere ohne Mitgefühl, aber mit einem hohen Nervfaktor, den der Film allerdings eher in der objektiven Belanglosigkeit der Anderen sehen möchte. Schließlich geht es denen ja darum, dass man sich Zeit für sie nimmt, etwas gemeinsam schafft. Das kommt dem Hausherren nach Ayn-Rand-Manier nicht in die Tüte. Drum weißt er alle ab, damit er endlich seine Platte hören möge.
Da sich der Spielraum der Handlung allerdings beinahe ausschließlich in der einen Wohnung abspielt, wiederholt sich der Vorgang des unliebsamen Gastempfangs ad infinitum, bis man als Zuschauer denken soll: Jetzt ist aber mal gut, gönnt dem Mann sein eigen Reich! Wenn das schon ideologisch am Gewissen zwiebelt, sollte man erst Michels Konfrontation mit den Asylanten abwarten. Das Publikum soll lachen, weil der nervende Ausländer sein Fett weg kriegt – und das nicht bloß einmal. „Ich nix verstehen“ und „Ich arbeiten“ mit anschließendem Teppich-Dreckig-Machen sind da noch die Spitze des Eisbergs. An allem haben aber letzten Endes die Frauen Schuld: Die nerven Michel schon den ganzen Tag mit ihren Stimmungsschwankungen; laden Handwerker an einem Samstag ein; missachten klar verständliche Anweisungen zur Vermeidung eines Rohrbruchs und haben natürlich gerade dann nix zu sagen, wenn mal wieder ein Konflikt einfach gelöst werden könnte oder eine richtig altbackene Pointe sitzen muss. Faul ist der Humor hier nämlich auch noch, bei dem Arsenal an Ressentiments, die er schon austeilt und festigt.
Oh, Affären hatte seine Frau auch noch, wie sie zeitweise tränenreich zugibt. Aber da ist Michels Vorwurf ja fehl am Platz, wo er doch ebenso ein schlimmer Finger ist. Diese halb garen Selbstläufer der Reflexion hebeln sich letzten Endes aber auch nur gegen die schier unnötigen Fehltritte der anderen aus, von denen man als Zuschauer schon längst genug hat, bevor die knapp achtzig Minuten Laufzeit überhaupt rum sind. Eine richtige Versöhnung mit seinen Mitmenschen muss Michel dann auch nicht einlösen. Stattdessen besucht er einfach mal wieder seinen Vater im Altersheim, mit dem er seit jeher die Musik teilte. Unter seinesgleichen, mit ein und derselben Meinung, ist es eben doch noch am Schönsten. Die Front National dürfte Purzelbäume schlagen bei diesem rein französischen Egotrip.
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