Einige scheinen Sofia Coppola für überbewertet zu halten – es wirkt, als müsse sie stets mit dem Vorurteil leben müssen, sich lediglich im Glanz ihres Vaters Frances Ford zu sonnen. Doch als Sprössling einer weltweit bekannten Regiegröße wirkt die Vermutung naheliegender, dass sie sich stets aus dem Schatten ihres Vaters befreien müsse. Spätestens als „Lost in Translation“ im Jahr 2003 für die Beste Regie und den Besten Film nominiert wurde und das Fräulein Wunder den Oscar für das Beste Drehbuch einheimste, sollte sie sich schließlich etabliert haben. Dennoch weckt es den Anschein, für Sofia entwickele sich zu einem K(r)ampf um künstlerische Anerkennung. Das Showbiz ist hart und wer zu Hollywoods tadellosem Sweetheart gekürt wird, kann ganz schnell zum Opfer des Feuilletons werden. Sie ist eben des einen Cineasten Gräuel und des anderen Liebling.
In ihrem neusten Streifen widmet sich Miss Coppola wieder den Problemen des Erwachsenwerdens, doch diesmal scheint es weniger um Depressionen, Verlorensein oder aufgezwungene Rollen zu gehen; vielmehr liegt hier der Fokus auf der Gier nach Anerkennung, dem Hunger nach Konsum und der Besessenheit von Celebrities, allem voran B-Promis. Inspiriert von einem Artikel der amerikanischen Zeitschrift „Vanity Fair“ schrieb Coppola das Drehbuch zu „The Bling Ring“ um eine Gruppe berüchtigter, junger Kalifornier, die 2008 und 2009 mit ihren Raubzügen durch Promi-Villen Hollywood in Atem hielten, aber letztendlich von der örtlichen Polizei geschnappt werden konnten.
Die satirische Krimi-Komödie zeigt den Werdegang einer Gang von reichen Upper-Middle-Class-Kids: Nicki (Emma Watson) und ihre Freunde Rebecca (Katie Chang), Marc (Israel Broussard), Sam (Taissa Framiga) und Chloe (Claire Julien); ein fünfköpfiges Gespann, welches sich eben selbst „The Bling Ring“ nennt. Die gelangweilten Teenager wissen nebst Partys und Shoppingtouren nicht viel mit sich und ihrer Zeit anzufangen. So beginnen sie mal hier und da etwas zu stehlen – sei es auf Partys, in Boutiquen oder Parfümerien. Als sie merken, wie einfach es ist, sich zu nehmen, was man will, beschließen sie in die Häuser und Wohnungen von Prominenten einzubrechen. Zu ihren Opfern gehören Paris Hilton, Rachel Bilson, Megan Fox, Lindsay Lohan, Kirsten Dunst und Orlando Bloom. Ihre Einbrüche planen sie präzise mithilfe des Internets. Während Twitter und Co. ihnen helfen den Aufenthaltsort des Stars festzulegen und sicherstellt, dass die Opfer zur Zeit des Einbruchs nicht zu Hause sein werden, so bietet ihnen Google Earth die Möglichkeit, sich die Grundstücke genauer anzusehen. In den Häusern hängen Nicki und ihre Freunde dann eine Weile ab und lassen anschließend von Designer-Kleidung über Schuhe, Taschen und Schmuck alles mitgehen, was ihnen gefällt. Was sie nicht brauchen, verkaufen sie weiter und finanzieren so ihre Partygänge und Shoppingtouren. Größenwahnsinnig und berauscht, beginnen sie sich für unbesiegbar zu halten. Als sie schließlich Fotos von sich in den Häusern der Stars schießen und diese auf Facebook posten, kommt ihnen die zuerst ratlose Polizei jedoch auf die Spur.
Doch selbst wenn die wahre Geschichte um „The Hollywood Hills Burglar Bunch“, auch bekannt als „The Bling Ring“, Potenzial bietet die Prioritäten und den mangelnden Idealismus einer neuen Generation an Heranwachsenden zu durchleuchten, welche von Facebook, Youtube und zahlreichen Style- und Fashion-Blogs verblendet zu sein scheint: Der Zuschauer vermisst einen wahrlich kritischen Unterton. Denn was ein Erwachsener vielleicht noch zwischen den Zeilen lesen kann, könnte ein Sechzehnjähriger durchaus missverstehen. Sofia Coppola hat es sich bei „The Bling Ring“ eigenen Angaben nach zur Aufgabe gemacht nicht wertend zu sein und den Zuschauer seinem eigenen Urteil zu überlassen, was man ihr jedoch als gravierende Fehlentscheidung ankreiden darf.
Coppolas neustes Baby kommt nicht ansatzweise an ihre subtileren Vorwerke „The Virgin Suicides“ oder „Lost in Translation“ heran. Dort, wo die farbenfroh glamourösen Kulissen in „Marie Antoinette“ Ironie versprühen, wirken sie in „The Bling Ring“ zwar nicht aufgesetzt, aber dennoch glorifizierend. Natürlich sollte man von keiner künstlerischen Darstellung erwarten, dass sie oberlehrerhaft den Zeigefinger erhebt. Doch manchmal muss man ein klares Statement abgeben – denn irgendetwas ist gewaltig schief gelaufen, wenn seit der Veröffentlichung des Films der wahre Bling Ring plötzlich einen medialen Hype erlebt. Die Presse reißt sich nun um Interviews mit den aus der Haft entlassenen Ex-Mitgliedern der Gang. Allesamt werden sie wie Stars von Paparazzi verfolgt, sie erzählen ihre Lebensgeschichten, schreiben Autobiografien, um endlich die „Wahrheit“ offenlegen zu dürfen. Theoretisch tun sie nichts was von Belang wäre und verdienen dennoch ihr Geld damit, einst kriminelle Teenager gewesen zu sein. Ja, sie gehören endlich dazu, sind nun offiziell It-Girls oder gar Boys. Hierbei scheint Sofia Coppolas Film maßgeblich als Inspiration gedient zu haben: armes, krankes Hollywood!
Auch musikalisch betrachtet ist „The Bling Ring“ eine Enttäuschung. Wer die stilvolle Hintergrundmusik aus den bisherigen Coppola-Filmen geliebt hat – sei es der 70er-Jahre-artige Synthie-Pop zu „The Virgin Suicides“, eigens vom französischen Duo Air kreiert; oder der Mix aus den 80ern, Punk und Indie, welchen man aus „Marie Antoinette“ kennt – dem dürfte trotz nicht nennenswerter Ausnahmen die ziemlich Hip-Hop-lastige musikalische Untermalung zu „The Bling Ring“ missfallen.
Dennoch zeigt Sofia Coppola wieder einmal, dass sie ein Händchen für weibliche Jungstars hat: Denn das Einzige, was man an „The Bling Ring“ als sehenswert bezeichnen könnte, ist die Darstellung von Emma Watson. Sie zeigt, dass sie durchaus wandelbar und definitiv aus „Harry Potter“ herausgewachsen ist. In einem Interview sagte die junge Engländerin, dass sie nach dem Lesen des Drehbuchs niemals eingewilligt hätte mitzuspielen, wenn Sofia Coppola nicht die Regie geführt hätte. Ein Aspekt, der zugleich Fragen eröffnet und gleichermaßen zu bestätigen scheint, wie belanglos die Story eigentlich ist. Diese Randinformation nun näher zu erläutern, sollte man dem Leser ersparen, denn spätestens seit Kirsten Dunst und Scarlett Johansson weiß man, dass das Mitwirken in einem Film von Sofia Coppola zum Karrieresprungbrett werden kann.
Leider muss man festhalten, dass „The Bling Ring“ den ein oder anderen Coppola-Fan vergraulen und den Skeptiker in seinen Vorurteilen bestätigen könnte. Wer zickige, aufgetakelte, aus Starbucks-Bechern schlürfende Teenager mit Louis-Vuitton-Täschchen und UGG Boots sehen will, kann getrost den Neuen Wall, die Königsallee oder die Maximilianstraße aufsuchen und muss dafür kein Kinoticket kaufen. Trotz teilweise satirischer Szenen mit gelegentlich zynischen Dialogen gelingt es dem Film nicht Tiefe zu entwickeln, den Zuschauer mitzureißen, denn inhaltlich bietet er kaum mehr als die üblichen Berichte in Society Magazinen und Boulevardblättchen.
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