Manche Filme legen es einfach darauf an, dass man sich als einigermaßen anspruchsvoller Kinogänger beleidigt fühlen muss. Anders kann man sich ein Werk wie „About a Girl“ nicht erklären – und das liegt nicht etwa nur daran, dass Regisseur Mark Monheim widerstandslos jede x-beliebige Feel-Good-Sauce emuliert und permanenten Gitarrenschmalz à la „Der Nanny“ zur nervtötenden Emotionalisierung anwendet. Der Clou liegt nämlich schon im Konzept, den Selbstmordversuch eines Mädchens als Aufhänger für eine vermeintlich freche Komödie über den Wandel zur Lebensfreude zu nutzen. Die zynische und einfältige Lösung des Ganzen versucht deshalb erst gar nicht, über den Tellerrand von Allgemeinplätzen eines jeden Hobbypsychologen zu schauen, sondern drängt auf den stumpfen Schluss hin, einfach wie jeder sonst zu sein und die große Liebe zu finden. „Das Leben ist ein Geschenk – und Geschenke schmeißt man nicht einfach weg“, lautet eine der vielen Phrasen, die Protagonistin Charleen (Jasna Fritzi Bauer) vonseiten der Familie und des Kinderpsychologen indoktriniert werden.
Aber genauso verfährt schon die Etablierung ihres Charakters: Sie steht im Regen und meint, die neuen Songs ihrer längst verstorbenen musikalischen Idole darin zu hören. Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Amy Winehouse und Co. dürfen daher mehrmals zur obligatorischen Namensnennung eines Pop-Bewusstseins genannt werden, das so weltfremd ist wie die Gesamtgestaltung der hier vertretenen Jugend. Koautor Martin Rehbock erklärt diesen Umstand im Presseheft wie folgt: „[Wir] haben uns dann dagegen entschieden, auf den Schulhof zu gehen und den Jugendlichen ihren Slang abzulauschen. Sondern dafür, eine Art ‚Kunstsprache’ für sie zu entwickeln, die aber echt klingt.“ Eben darum hadert der Zuschauer mit einer Unwissenheit, die einerseits keinen Schimmer von der Zielgruppe des Films hat und umso weniger in das Innenleben der Figuren einzudringen weiß – selbst wenn Charleen just Geschehenes mit dem Voice over einer biederen Drehbuchsprache reflektiert.
So kann der Film auch nicht anders, als Charleen mit den Charakterzügen durchgängiger Bocklosigkeit und Sarkasmus zu versehen, die weder charmant noch clever aufbereitet werden. Wozu Sympathie für eine Hauptfigur aufbauen, die schlicht als wahllos störrisch bezeichnet werden muss? Vielleicht soll aber auch das mit verbissener Provinzialität charakterisierte Umfeld genug Kontra geben, um sich vom Leben verabschieden zu wollen. Was bei Todd Solondz für markige Konflikte gegen das Spießertum sorgt, sucht hier allerdings kontinuierlich die Nähe zu eben diesem, sprich zur Gleichschaltung einer Persönlichkeit durch die Eingliederung in die Langeweile. Und für diesen Prozess benötigt der Film mehrere redundante Sitzungen einer platt psychologisierenden Evaluierung, welche die Laufzeit von 105 Minuten wie mindestens zweieinhalb Stunden anfühlen lassen.
Es tut sich auch nichts bei Charleen, bis sie dann scheinbar Mr. Right in Schulkamerad Linus findet – ein stereotyper Streber, der gerne scheintot über dem Zaun hängt und offensichtlich „Harold & Maude“ gesehen hat. Passt aber zu Charleens leidlich subtilen Hobbys, tote Tiere auf der Straße per Polaroid zu verewigen oder ein Praktikum im Leicheninstitut zu absolvieren. Da ist die gemeinsame Fahrt im Einkaufswagen nur eine Frage der Zeit, wie auch weitere überstrapazierte Bilder der Filmwelt ihren Wiedereinsatz erhalten. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Gag, bei dem jemand auf die Straße geht und plötzlich von der Seite überfahren wird? Nach „Der Kaufhaus Cop 2“ die jüngste Wiederholung dieses lahmen Kalauers. Knapp zwanzig Jahre nach „True Lies – Wahre Lügen“ ebenso ein alter Hut: Charleen stellt sich als Running Gag in Tagträumen vor, wie ihr jeweiliges Gegenüber mit herunterfallenden Kühlschränken plattgemacht wird, bevor der Schnitt zur Realität als Pointe herhalten muss. Oder jene Situationskomik, in welcher der Sexualkundeunterricht dadurch gestört wird, dass einer der Schüler ein Kondom wie einen Luftballon aufbläst? Saukomisch! Oder besser gesagt: faul und frustrierend.
Aber auch manche narrativen Elemente besitzen den Gestank altbackener Klischees: So ist Mutter Sabine ein übernervöser und gut meinender Kontrollfreak, Vater Jeff ein Lebensversager, der seine Gefühle besser mit einer Gitarre als in Worten ausdrücken kann und Oma Emmi (Dorothea Walda) die obligatorische verständnisvolle Bezugsperson, die in derartigen Filmen prädestiniert ist, im Krankenhaus zu landen, damit alle anderen Charaktere über ihr Leben nachdenken. Bei derartigen Umständen degeneriert dann auch jeder interessante Ansatz in der Geschichte zu einem Bauernstück, in dem sich selbst die sonst so nihilistische Charleen Phrasen und romantische Missverständnisse auf Seifenopern-Niveau einverleibt. Alles zu bezeichnend für einen Film, der sein Taktgefühl zugunsten sonniger Einwegbilder eintauscht, die für alle Phasen im Leben eine möglichst einfache Lösung finden und meinen, dafür nicht einmal die Beweggründe des menschlichen Problems verstehen zu müssen. Hauptsache, man darf sich über die leicht verdauliche Trivialisierung morbider Neigungen sowie der Suizidproblematik amüsieren, solange dabei ja nicht allzu provokante oder gar neue Ideen zur Umsetzung angewendet und die Sicherheit eines Happy End versprochen werden. Kein Wunder, dass gerade so was mit Fördergeldern und dem Prädikat „Besonders wertvoll“ belohnt wird.
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