Vorweg: Dieser Film hat – wie das zwischen Biedermeiertum, Weltfremdheit und Rassismus changierende aktuelle französische Komödienkino im Allgemeinen – so einige Probleme. Was „Verstehen Sie die Béliers?“ aber am meisten fehlt ist Mut. Dieses Defizit manifestiert sich vor allem in jenen Szenen, in denen Paula Bélier (Louane Emera) – die einzig Hörende in einer Familie von Taubstummen – mit ihren Eltern kommuniziert: Anstatt konsequenterweise mit Untertiteln zu arbeiten, lässt Regisseur Eric Lartigau selbst in intimen Zweiergesprächen jeden in Gebärdensprache vorgetragenen Satz der Eltern von Paula mündlich wiederholen. Ein Inklusionsfilm also, der sich nicht traut, seine Zuschauer in die Lebensrealität seiner Figuren hineinzuversetzen; ein Film mit taubstummem Personal, der eine Unvereinbarkeit von Stille mit filmischem Unterhaltungswert suggeriert. Eine ziemlich heuchlerische und faule Angelegenheit, die aber symptomatisch ist für ein überraschungsresistentes Kino, dessen Richtung immer diejenige ist, die der Weg des geringsten Widerstandes gerade vorgibt – an dessen Ende kein Schmerz und keine echten Gefühle warten, sondern stets nur der kleinste gemeinsame Nenner möglicher Publikumserwartungen.
Im Kern geht es hier um die ganz normalen Probleme des Erwachsenwerdens, um den Clash der Generationen und die Kluft zwischen den verschiedenen Lebensvorstellungen. Während ihre Eltern Gigi (Karin Viard) und Rodolphe (François Damiens) darauf pochen, dass Paula ihnen weiterhin auf dem Bauernhof behilflich ist, entdeckt diese ihr Talent fürs Singen – und wird von ihrem Musiklehrer dazu ermutigt, an einem Gesangswettbewerb des Pariser Radiosenders Radio France teilzunehmen, der ihr ein Stipendium an einer Musikhochschule verschaffen könnte. Der im Mittelpunkt des Films stehende Entscheidungsprozess – Käseverkauf oder Studium, Provinz oder Großstadt? – wird noch begleitet von allerlei holprig etablierten Subplots, von denen die wenigsten schließlich aufgelöst werden und kein einziger der Vertiefung der Figuren dient. So verliebt sich Paula in ihren Mitschüler Gabriel, mit dem sie für den Schulchor ein Duett einstudiert, ihr Bruder Quentin bandelt mit Paulas Freundin Mathilde an und ihr Vater kandidiert für das Amt des Bürgermeisters, um dem korrupten Amtsinhaber Lapidus den Garaus zu machen.
Wenn man dem Film eine Qualität anrechnen will, dann ist es die, dass er vielleicht um Verständnis, selten aber um Mitleid buhlt – dafür muss die Kommunikationsbarriere der Béliers immer wieder für halb garen, letztlich freilich zurückhaltenden Slapstick herhalten. „Verstehen Sie die Béliers?“ ist eine einzige Ode an die Mäßigung: kein Moment der Irritation, kein interessantes Bild, kein unerwarteter Dialogsatz und eine Inszenierung, die sich vor jedweder Spitze scheut. Und auch aus dem Chorthema vermag es Lartigau nicht, wenigstens eine beschwingte Musikalität zu destillieren, die die fehlende Wahrhaftigkeit tonal auffangen und kompensieren könnte. Der Film setzt sich zwar von jüngeren Widerlichkeiten des französischen Kinos wie „Monsieur Claude und seine Töchter“ oder „Nur eine Stunde Ruhe“ ab (wobei auch hier ein einsamer rassistischer Gag nicht fehlen darf: Ein Lämmchen wird Obama genannt, weil es schwarz ist), doch auch wenn man wenig wirklich Vernichtendes über diesen Film sagen kann, ist er deshalb noch lange nicht gut – höchstens, mal wieder, gut gemeint.
Wenn man nun verraten würde, dass sich alles in einem formelhaften Last-Minute-Finale auflöst, gerade so wenig rasant inszeniert, dass das adressierte 50-Plus-Zielpublikum keinen erhöhten Puls befürchten muss; dass ausgerechnet der Konfliktherd Musik zum Grenzen überwindenden Dialog zwischen den Parteien verhilft; dass schlussendlich jede Figur ihre Bestimmung und jeder Topf seinen Deckel findet, dann müsste man nicht einmal Spoiler! schreiben, ein Blick auf die Versöhnlichkeit versprechenden Filmplakate würde genügen – auf einem formt die Protagonistin sogar ein Handherz gen Betrachter –, um den Gesamtverlauf von Eric Lartigaus seicht-gefühligem Nichts in fahlen Fernsehbildern zu erahnen, ohne auch nur eine Minute davon gesehen haben zu müssen. „Verstehen Sie die Béliers?“ repräsentiert in seiner Publikumsanbiederung und boulevardesken Harmlosigkeit eben jene Art Film, die dem Kino zurzeit am wenigsten fehlt, mehr noch: die dessen Möglichkeiten kontinuierlich kleinhält, indem mithilfe von Altbewährtem nichts als piefige Gemütlichkeit forciert wird. Eine neue Nouvelle Vague ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit.
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