Man kann über die Privatperson Tom Cruise sagen, was man will – die Qualität seiner filmischen Einsätze bleibt durchgehend genießbar und besonders im Bereich des Actionlastigen, Spannenden und Fantastischen ein Garant für beste, teils geschickt-originelle Unterhaltung. Dies trifft erneut auf das Sommerblockbuster-Vehikel „Edge of Tomorrow“ des Regisseurs Doug Liman zu, das wie zuletzt „Mission Impossible 4“ die Grundessenzen eines gewissen Genres aufgreift und dieses mit perfekter Präzision und erfrischendem Spielspaß durchgehend aufpeppt. Sogar das Ausgangsszenario ist gar nicht mal so unbekannt: Aliens invadieren unseren blauen Planeten und müssen heldenhaft aufgehalten werden. Mitten darin wird der unerfahrene Werbefachmann William Cage (Cruise) hineingeworfen, der keinerlei Ahnung vom Militärjargon und dessen futuristischen Waffen hat und dementsprechend hilflos in die Röhre schaut. Einem gekonnten Spiel mit dem eigenen Image ergibt sich da Herr Cruise, der anfangs kein Vergleich ist zur Ehrfurcht-erregenden, geradlinig-schlagkräftigen Powerfrau Rita Vrataski alias Full Metal Bitch (Emily Blunt).
Es entfacht sich sodann für unseren unfähigen Helden ein Chaos des Krieges, ein frenetisch inszenierter Höllenschlund, ein durchwegs überwältigendes Effektspektakel, wie man es schon des Öfteren in den letzten Jahren erlebt hat, William allerdings auch stark überfordert, bis er schließlich im Gefecht stirbt. Doch das ätzende Blut der Mimics, wie die Außerirdischen hier heißen, verleiht ihm Zeit-springende Kräfte, die ihn immer wieder an den Anfang seiner unfreiwilligen Einberufung versetzen. Und so bieten sich ihm und dem Film zahllose Möglichkeiten, einen aufbauenden Nutzen daraus zu ziehen, um mehr Licht in die Umstände der Geschichte zu bringen, aber vor allem um zu üben, besser zu werden, auf die Lösung des Problems zu drängen. Hier macht der Film dann etwas, was vielen Effekt-getriebenen Hollywood-Actionern jüngster Zeit aus der Hand geglitten ist: er gibt seinem Charakteren eine Hoffnung auf die Kontrolle über den sie umgebenden CGI-Effektwellen und ihren Gadgets, indem er deren Choreographie entlarvt und vom menschlichen Faktor so weit es geht beherrschen lässt.
Es braucht nur einen Regisseur wie Doug Liman, um so ein Konzept stimmig zu entschlüsseln und vollends nachvollziehbar zu machen, ohne auf extensive Erklärungsversuche setzen zu müssen. Der Mann hinter der ersten „Bourne-Identität“ und dem Dimensionen-Wandler „Jumper“ treibt das intensive Sci-Fi-Abenteuer stattdessen mit fettfreier Pointierung voran, schöpft aus den Implikationen des Konzepts eine ganze Reihe eindrücklicher Set-Pieces, ständig neuer Perspektiven und humorvoller Einfälle, die jedoch nie selbstzweckhaft wirken, sondern ebenso passend zum atemlosen, luftigen Drive der überwiegenden Problemlösung beitragen. Denn mit jedem Schritt mehr lernt der Charakter von Cruise etwas dazu, erweitert seine Fähigkeiten und sein Wissen, ohne aber in vollkommener Überheblichkeit voranzuschreiten, da alles, was nach dem Bekannten kommt, neue Herausforderungen und Ängste bereitstellt und man deshalb immer gespannt bleiben muss und darf.
Als Videospiel-Kenner ist man nur allzu vertraut mit solchen Gefühlen und kann daher am ehesten nachvollziehen, was solch ein lehrsamer Pfad abverlangt, speziell wenn man immer wieder Game Over geht, um noch mal von vorne zu continuen und doch noch, step by step, die Mission komplett zu erfüllen. Und genauso wie die besten Videospiele (beispielsweise „Mega Man X“ für das SNES) behandelt uns auch Liman nicht wie Kinder, die man an die Hand nehmen muss, sondern wie lernfähige Profis, die schnell verstehen und jede Entwicklung problemlos auffassen können – da braucht es nicht für jeden Level eine rückblickende Erklärung.
Doch selbst solche dadurch errungenen Götterkräfte sind vergänglich und antastbar, besonders dann, wenn man nicht nur auf eigene Faust unterwegs ist, sondern auch einen Partner findet, der einen von vornherein daraufhin aufgebaut hat, aber zwangsläufig nicht denselben Weg gehen kann, wenn man nicht sein Bestes gibt – damit alles zum zufrieden stellenden Klimax kulminiert. Vom Logischen her ist diese von Cruise-&-Blunt-angewandte Duett-Abhängigkeit nur bedingt sinnvoll, aber da spielt erneut der menschliche Faktor die entscheidende Rolle in der Überhand gegen den Feind, dem Computer, dem Binären, dem Außerirdischen – denn siehe da, gemeinsam ist man immer stärker.
Diese von Grund auf unvermeidlich emotionale Beziehung bringt zwar wie so oft auch romantische Ambitionen mit sich, doch Blunts Rita verwehrt sich solch einem einfachen Zugang, durchschaut die zwar charmante, aber aufhaltende Naivität von Cruise und bewahrt ihre selbstständige Würde, die aber ebenso alles daran setzt, dass man sich zusammen durchschlagen kann. Ein wunderbares Team, das seine erlernten Fähigkeiten dann auch letzten Endes ultimativ beweisen muss – in einem Szenario, das keine Rückkehr, kein Reset mehr zulässt. Jetzt geht’s um die Wurst und als Zuschauer bewegt man sich nun gleichsam fieberhaft und doch bereit in die Gefahren der Unsicherheit hinein – meisterhaft erlebt die Spannung ihren Höhepunkt, denn unsere lieb gewonnenen Charaktere haben nur noch einen Anlauf, einen Credit, frei. Da muss man durch, win or lose, 3,2,1, Risiko! Ein wahrlich lebensbejahender Film.
Meinungen
Teile uns deine Meinung zu „Edge of Tomorrow“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.