Menahem Golans „Delta Force“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“
Am 14. Juni 1985 wurde TWA-Flug 847 von der terroristischen Organisation für die Unterdrückten der Welt, einer Gruppe mit Verbindungen zur Hisbollah, auf dem Weg von Athen nach Rom in den Libanon entführt, wobei vor allem jüdische Passagiere und der Staat Israel zur ideologischen Zielscheibe erklärt wurden. Grund genug für Regisseur Menahem Golan, diese zu jener Zeit brandaktuelle Geiselnahme als Inspiration für seinen abenteuerlichen Terror-Actionfilm „Delta Force“ zu nutzen. Was im wahren Leben nicht einfach aufgelöst werden konnte, bot sich ihm als politisch inkorrektes Märchen einer Lösung an, die mit naivem Reaktionismus zur Gerechtigkeit des Guten ansetzt. Das zweistündige Epos, welches er daraus entwickelt, nimmt sich daher reichlich Zeit, um die Situation an Bord darzustellen und massig Antipathie gegen die Entführer unter der Leitung von Abdul (Robert Forster) aufzubauen. Mit reichlich emotionalisierender Handhabung wird das Schicksal der Geiseln eingefangen, welche zunächst ihr Leben genießen und fortan tränenreich von ihren Angehörigen separiert sowie terrorisiert werden.
Mittendrin begegnen sich dabei illustre Charakterdarsteller wie George Kennedy, Shirley Winters, Martin Balsam, Bo Svenson und Hannah Schygulla als Stellvertreter gängiger Bevölkerungsgruppen und Religionen, die nicht zum Islam und seinen Staaten gehören. Golans Charakterisierung setzt da natürlich auf größtenteils einseitige Züge und schafft trotz Ansätzen der Relativierung eine bestürzte Stimmung, aus der man sich das nahende Einschreiten der Titel gebenden Delta Force sehnlich wünscht. Wie genau das eine zum anderen kommt, ist natürlich auf einem Gros an Spekulationen errichtet und soll lediglich einfältiges Wunschdenken befriedigen. Dennoch verläuft Golans Film bis dahin vernünftiger und zumindest technisch stimmiger als so wunderbare Katastrophen des Kulturverständnisses wie „Over the Top“ (ebenfalls Golan, 1987). Die Konsequenz des Narrativs erfüllt aber derart unbeholfene Vorstellungen vom Machotum, als ob John Milius Jr. das Steuer übernommen hätte.
Zum tanzbaren Orchester-Pop von Alan Silvestris Score dreht nämlich schon früh ein Pathos auf, sobald Major Scott McCoy (Chuck Norris) und Col. Nick Alexander (Lee Marvin) im Einsatz keinerlei Charaktere darstellen, sondern wie Actionfiguren ums Schlachtfeld geschickt werden – coole Sprüche, Raketenwerfer und USA-Klett-Flaggen auf der Schulter inklusive. Pseudo-taktische Manöver gelingen dann so formvollendet wie bei G.I. Joe, nachdem man sich bei einigen spionageartigen Missionen à la Indiana Jones durch Wüstenstädte gejagt hat und stets die Synthie-Hymne des amerikanischen Sieges erklingen ließ. Kein Wunder, dass in dieser Comic-Version von Reagans Hauruck-Militär flotte Motorräder zum Einsatz kommen, die am Vorderrad und am Auspuff Raketengeschosse und Maschinengewehre abfetzen. Damit geht es auch den Erzrivalen an den Kragen: Die werden nämlich so gnadenlos und kunstvoll niedergestreckt, als gelte es, eine persönliche Rechnung zu begleichen.
Trotz der langen Laufzeit kann man aber nicht behaupten, überhaupt jemanden der Helden oder Antagonisten kennengelernt zu haben. Genauso wenig kann man hier von einem angemessenen Verständnis zwischen den Kulturen sprechen, obwohl Frau Schygulla als deutsche Flugbegleiterin Ingrid gerne predigt, dass die Methoden der Terroristen an die der Nazis erinnern. Aus der Zeit hätte man allerdings etwas gelernt und untereinander vergeben. Doch bei Golan gilt letztendlich auch: Wer nicht hören will, muss fühlen. Insbesondere die letzte halbe Stunde von „Delta Force“ lädt dann mit hanebüchener Entschlossenheit im Heldentum zu Glanzmomenten der Actionfantasie ein und eignet sich hervorragend als Relikt einer Popkultur, die den Kampf der Weltmächte als kindliches Spektakel aufbereitete. Ohnehin kann man dem Film seine Qualität nicht absprechen, darin als plakativer, doch souveräner Entführungsthriller Spannung aufkommen zu lassen.
Die Einschätzung politischer Verhältnisse und die Funktion der Gewalt als Mittel der Überlegenheit hinterlassen in ihrer bis heute ungebrochenen Aktualität aber weiterhin einen bitteren Nachgeschmack, der auch nicht durch ansatzweise kritische Facetten im Wirken der Delta Force negiert wird. Das liegt aber auch daran, dass sich Regisseur Golan einer ernsten Absicht verpflichtet, die in ihrer Manipulation der Wirklichkeit exploitativ wirkt und wider besseren Wissens für ein Finale des Stumpfsinns herhalten muss. Die Grenze zwischen Charme und Propaganda verwischt zu stark und schmälert den Spaß an der bewährten Kinosage vom Guten gegen das Böse. Man kann sich aber auch einfach auf das wilde Geballere in unpraktischen Posen konzentrieren, wie auch auf das Happy End freuen, bei dem alle Familien wieder miteinander vereint werden.
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