Tobe Hoopers „Lifeforce – Die tödliche Bedrohung“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“

Was für ein Körper! Das denken sich nicht nur pubertäre Zuschauer, wenn sie die zentrale Erscheinung von Mathilda May im Horrorabenteuer „Lifeforce – Die tödliche Bedrohung“ kennenlernen. Die Funktion ihrer Nacktheit ist aber nicht bloß ein Schauwert, sondern auch essenzieller Bestandteil des Films, der außerirdische Vampire dazu ermächtigt, die Bevölkerung von London mit Hypnose in Angst und Schrecken zu versetzen. Dieser Grundgedanke ist für Regisseur Tobe Hooper Antrieb genug, um dem Zuschauer eine unnachgiebige Melange der Unterhaltung vor den Latz zu knallen. Unter der Ägide der Produzenten Menahem Golan und Yoram Globus gilt es nämlich, mit geballter Energie die Leinwand zu beleben. Aus diesem Grund wird der Film zumindest in seiner Kinofassung (es existiert hierzulande noch ein unveröffentlichter Directors Cut) von Charakteren bevölkert, welche die dringliche Lust der Prämisse zu ver- und überstehen versuchen.

Freilich verkürzt sich die Exposition im All zu einer Reise durch obskure Alien-Architektur, die bunt und finster zugleich den Augapfel kitzelt, bis kurz darauf schon die gläsernen Särge der Humanoiden gefunden werden. Allen voran Col. Tom Carlsen (Steve Railsback) verfällt den Reizen des scheinbar weiblichen Wesens, darf aber erst im späteren Verlauf Rückblenden der allmählichen Korrumpierung seines Geistes anhand ihrer rekonstruieren. Bis dahin schafft es das fiese Gerät auf die Erde und wird ins Untersuchungslabor gebracht und für tot erklärt, bis die Lebenskraft aufsaugende Monstermacht im Breitwandformat verführt und Körper sowie Fenster sprengt. Nackt schreitet das Unwesen durch grelle Farben und schäumende Nebelwände, während unfähige Wachen und Wissenschaftler ihre Todesschreie ausstoßen. Hooper übersetzt dabei den Bilderhorror der britischen Hammer Studios ins kontemporäre Zeitkolorit, konzentriert dies jedoch zu einem Effektspektakel, das seine Körperverzerrungen innerhalb klinischer Gemäuer umso grotesker auslebt.

Fantasievolle Lichter und widerliche Masken besetzen nicht nur den Nervenkitzel des Zuschauers – das Militär und die Regierung stehen jenen übermenschlichen Kräften nämlich machtlos gegenüber, bemühen aber weiterhin britische Unbedarftheit in ihrer Ratlosigkeit. Erst das Verlangen Tom Carlsens führt zur Lösung des Problems und einer Wiedervereinigung mit der kosmischen Schönheit des Grauens. Schließlich hat sich sein Geist mit ihrem verbunden und so kurvt er zusammen mit Col. Colin Caine (Peter Firth) durch halb England, um die Invasion aufzuhalten. Genauso haltlos wie das brennende Verlangen nach Sex läuft der Film also seiner hormonell anregenden und ebenso von Lebenssaft abhängigen Vampirfrau hinterher. Er rast mit Vollgas dem Blut, dem Wahn und urbaner Zerstörung entgegen, während sich das Raumschiff anhand eines Laserstrahls am Himmelszelt daran wie mit einem Strohhalm ergötzt und ständig mehr verlangt.

Die Entschlossenheit der männlichen Protagonisten ist entsprechend mit pointierter Selbstverständlichkeit unterwegs, wie man auch als Zuschauer dem Thrill des apokalyptischen Abenteuers folgen möchte. Deshalb hat der Film auch eher eine romantisierende denn furchterregende Ambition im Sinn: Wie schon das Ensemble an Spezialeffekten seine Ekstase findet, kommen die Helden nicht umhin, ihr Verlangen mit schweißtreibender Rücksichtslosigkeit zu erfüllen. Speziell Tom Carlsen kann nicht aufhören, die ihm bekannte Bedrohung zu vergöttern und daran zu denken, nochmals den Beischlaf mit ihr zu vollziehen – eine empfänglich nervöse Umkehrung des Verhältnisses zwischen Mensch und Monster, das Drehbuchautor Dan O’Bannon in „Alien“ (1979) entwickelte und nun zusammen mit Kollege Don Jakoby in eine Rock-Oper der Genre-Exzesse ummünzt.

Deshalb hat die letztendliche Ekstase der Haut zwischen Ruinen, Leichen, Untoten und wortwörtlichen Geistesblitzen auch etwas Schönes an sich: Selbst wenn das Böse mit dem Schwert bezwungen wird, spritzen die Seelen atemlos ins Mutterschiff, das sodann zum nächsten Planeten vorantreibt und kein abgeschlossenes Ende bereithält. Tobe Hooper und Co. frönen in ihrem Gesamtkonzept eben der unbedingten Geilheit. Und da ist jedes Mittel recht, um den Reizen des fantastischen Invasions-Horrors ohne Rücksicht auf Verluste oder Sachschäden zu folgen. Darum wird die Präsenz von Mathilda May hier zum einmaligen Ereignis der Kinogeschichte, wie auch „Lifeforce“ als Unikat einer grenzenlosen Ära die Sinne des Zuschauers einfordert. Cannon macht’s möglich!

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Lifeforce – Die tödliche Bedrohung“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.