Tobe Hoopers „Invasion vom Mars“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“
Jeder Junge ist in seinem Leben mehr oder weniger mal vernarrt in die Idee von außerirdischen Wesen. Was alles von den Sternen herab steigen kann, beflügelt eben seither die Fantasie über kosmische Mächte, technische Wunderwerke, obskure Fratzen und deren Furcht einflößendes Potenzial einer globalen Bedrohung. Da sich derartig aufregendes Denkgut hervorragend in Medien umsetzen lässt, kam Tobe Hooper 1986 nicht umhin, die Neuverfilmung des Sci-Fi-Urgesteins „Invasion vom Mars“ von 1953 unter gleichem Titel anzustrengen. Die spartanische Story um den jungen David Gardner (Hunter Carson), der des Nachts mit ansieht, wie ein UFO in seinem Hinterhof landet und seine Mitmenschen fortan in jagende Monster fern jeder Empathie transformiert, hat eben in jeder Ära Allgemeingeltung. Was in den Fünfzigern allerdings als versteckte Propaganda gegen den Kommunismus ausgewertet wurde, muss in den Achtzigern nicht zwangsläufig denselben Zweck erfüllen – obwohl der militärische Einsatz zur zweiten Hälfte hin darauf hinausläuft, dass Amerika noch immer stets gegen den allgegenwärtigen Kalten Krieg gewappnet sein dürfte.
Die Implikationen von Hoopers Film sehen es aber abseits der Politik auf eine Visualisierung ab, die den Wandel der Adoleszenz als hormonellen Albtraum darstellt. Dabei bleibt die kindliche Unschuld natürlich im Fokus, wird aber auch von der Furcht der Veränderung gehetzt. Zunächst scheint alles noch heimelig. Hooper baut dafür auf einem künstlichen Idealbild amerikanischer Zufriedenheit auf, das im Studio die familiäre Einheit einfängt. Die Seligkeit kommt hier nicht von ungefähr an Steven Spielberg, Hoopers Aufseher vom „Poltergeist“ (1982), heran – so erklingt auch Christopher Youngs symphonische Leitmelodie als Wiegenlied nach dem Vorbild John Williams’, ehe durch die baldige Invasion des Raumschiffs der Frieden im kalifornischen Idyll gestört wird. Das zeichnet sich nicht nur durch Youngs Musik ab, welche allmählich verzerrte Untertöne im Score aufnimmt und fortwährend zu einer elektronischen Spannung ansetzt, die der bedrohlichen Künstlichkeit der Invasoren gerecht wird. So schaut auch Daniel Pearls Kamera mehr von unten aus Davids Perspektive auf die Veränderungen um ihn herum: Die Eltern (Timothy Bottoms und Laraine Newman) verfallen in kontinuierliche Fremdartigkeit, verstecken beinahe bewusst ihr Antlitz vor den Strahlen der harmonischen Kindheitssonne und können nicht mal mehr ordentlich Schinkenstreifen braten.
Nicht gerade unbewusst strahlt der Röhrenfernseher Hoopers eigenen (und ebenfalls von Dan O’Bannon und Don Jacoby geschriebenen) Alien-Thriller „Lifeforce“ aus, der ähnliche Ängste und explizit sexuelle Befriedigung suchte. Protagonist David ist natürlich noch nicht so erwachsen unterwegs, versucht sich aber mitzuteilen, wie er die Änderungen um ihn herum empfindet. So wird Schulkrankenschwester Linda (Karen Black, Hunter Carsons Mutter im wahren Leben) seine einzige Bezugsperson – ein blonder Engel naiver Schülerfantasien und fortan diejenige, die ihm zuhört, seine Ängste ernst nimmt und ihnen nachgeht. Auch vor dem Hassbild eines jeden jungen Buben, der fiesen Lehrerin Mrs. McKeltch (Louise Fletcher), gilt es, acht zu nehmen. Die drangsaliert einen als Stellvertreterin der Bösen über den Flur und macht gruselige Sachen mit Fröschen im Vorbereitungsraum, an die man bisher nicht mal zu denken wagte. Hooper dringt aber ohne falsche Bescheidenheit in jene kindlichen Furchtzonen vor, wie er seinen Protagonisten auch in den roten und haltlos organischen Untergrundtunnel der Marsianer führt. Zwei kugelige Reißmäuler und ein glibberiger Obermotz, welcher phallisch aus einer Röhre geschlängelt kommt und per Riesenspritze Kringel der Gedankenkontrolle in die Nacken seiner Opfer schießt, dürften da nicht nur für Kinderaugen grauenerregend sein.
Doch abseits sexueller Gleichnisse ist Hoopers Film hauptsächlich ein stimmiges Jugendabenteuer von Entdeckungen und Bezwingungen. David ist stets unterwegs, das Geheimnis zu lüften und seine Mitmenschen zu beschützen; in der kindlichen Paranoia verliert er ohnehin nicht den Sinn dafür, die sinisteren Zusammenhänge schnell festzustellen und auch mal den neunmalklugen Beschützer abzugeben. So kommt er dann auch mit Linda im Schlepptau zur Militärbasis und schildert General Wilson (James Karen) die urigen Geschehnisse, denen mit recht geringem Widerstand natürlich geglaubt wird. Die große Befreiungsaktion der Armee steht mit comichafter Selbstverständlichkeit auf der Matte, während der musikalische Rhythmus eines „Rambo II – Der Auftrag“ entfacht wird – eine Wunschvorstellung, die sich jeder Junge dieser Zeit oder eben jene Junggebliebenen der produzierenden Cannon-Führungsspitze ausmalen würden. So werden die schleimigen Biester effektiv bezwungen und Heldentum für Eltern, Linda und die Welt bewiesen. Gleichsam aber spiegelt der Film eine Verteidigung der Unschuld wider, die sich dem Unbekannten sowie ganz alltäglichen Ängsten in überspitzter Verzerrung stellen muss.
So ist Hoopers Vision ruppiger und blutiger als man es der Zielgruppe vielleicht zutrauen sollte, doch geht der Übergang vom Kind zum reiferen Geist nun mal nicht handzahm vonstatten. Dass diese Verarbeitung aber im Rahmen einer Genre-Fantasie stattfindet, bringt eine Menge an naivem Charme mit sich und entlastet vom Terror, den Hooper als Regisseur von „Blutgericht in Texas“ genauso bedrückend hätte aufwenden können – so aber illustriert er ein Verständnis für den Geist der Kindheit und spricht dabei genau an, was im jungen Alter noch in aller Unbedarftheit an Trivialitäten befürchtet oder schlicht noch nicht verstanden wird. Auf diesem Gedanken kommt ein zeitloser und spannender Kinderfilm mit nettem Ekelfaktor zusammen, der Realitäten vermischt und Gehirngespinste bestätigt, sowie unterschwellig das Coming of Age unterstützt.
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