Tobe Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre 2“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“

Der Wandel des US-amerikanischen Horrorkinos von den Siebzigern in Achtziger ist noch immer eine der vielschichtigsten Angelegenheiten des Genres. Die besten Beispiele dieser Ära behielten sich dabei vor, die soziopolitischen Verhältnisse zu reflektieren, weshalb kontemporäre Werke von Regisseuren wie George A. Romero, John Carpenter, Joe Dante und David Cronenberg die Urängste des Zeitgeistes pointieren konnten. Symbolisch dafür steht auch Tobe Hoopers Fortsetzung seines Überraschungserfolges „Blutgericht in Texas“ (1974), „The Texas Chainsaw Massacre 2“. Was sich einst in der Hitze des Titel gebenden Bundesstaates versteckte und sich von dort in die Innereien der Menschlichkeit fraß, explodiert hier nun genauso wild, wie sich der Alltag der Achtziger dem Exzess hingab.

Die Anarchie der Jugend, die provinzielle Aufdringlichkeit, die Euphorie zum Trivialen und Zynischen: Eine selbstgefällige Brutstätte bietet sich hier für den Klan der Sawyers an, welcher mit der kannibalistischen Kettensäge einen ganz eigenen Unternehmergeist unters willige Volk bringt. Stichwort: Chili. Dagegen stellt Drehbuchautor L.M. Kit Carson („Paris, Texas“) zunächst den hängen gebliebenen Sheriff Lefty Enright (Dennis Hopper) auf, der das mordende Gespann aus familiären Gründen seit Jahren verfolgt und dafür nun auch zu deren eigenen Waffen greift. Trotz oder gerade aufgrund seiner Erscheinung mit Cowboyhut und Kettensäge legt er jedoch eine Schwäche an sich frei, die nur leidlich den Auswüchsen des verdorbenen Staates zusetzen kann und mit naiven Idealen lediglich an der Oberfläche der Hölle sägt.

Deshalb ist auch nicht er der Protagonist des Films, sondern Radio-DJane Stretch (Caroline Williams). Die unschuldige und neutrale Bürgerin versucht Lefty zu helfen, nachdem ein Anruf in ihrer Station einen Kettensägenmord an zwei Yuppies aufzeichnete. Als sie das verhängnisvolle Tape in ihrer Sendung jedoch nochmals abspielt, wird ihr Arbeitsplatz zum Spielplatz der Schlitzer. Obwohl Hoopers Regie dabei die Geografie des Sawyer-Anwesens und dessen klaustrophobischen Ekel aus Teil eins emuliert, steigt der Terror hier in groteske Extreme. Der Albtraum der Invasion knallt nun mit neongrellen Farben und klamaukhaften Fratzen hinein, wie es dem damaligen Jahrzehnt entspricht. Diese Kunstfiguren des Grauens werden dadurch aber nicht weniger Furcht einflößend – denn Hooper begnügt sich nicht mehr mit suggestivem Kopfkino, sondern lässt die Soße aus den Schädeln spritzen.

Das erklärt auch, warum der Film hierzulande seit 1990 als gewaltverherrlichend eingestuft und somit verboten, offiziell sogar nie erschienen ist. Wie es aber oft der Fall beim Jugendschutz ist, rührt diese Einschätzung von einem Missverständnis der Satire. Hoopers Film glorifiziert den Schrecken nicht, sondern veräußerlicht die brodelnde Gewalt eines Landes, das seine Faszination zum Bösen nicht verarbeiten möchte. Kein Wunder also, dass die Sawyers nun unter einem verlassenen Ferienpark hausen, der die Schlacht um Alamo und andere historische Gewaltmomente zum Vergnügen aufbereitet. So stößt Lefty einmal hinter eine Wand, auf der eine Illustration von gegeneinander kämpfenden Indianern und Konföderierten verzeichnet ist, und schon rotzen reichlich Gedärme heraus. Der Abstieg ins finstere Metzellager der Sawyers gleicht so einem Einblick in die Hölle (mit jenen schrillen Bewohnern als entweidende Verwandte der Drei Stooges), zeigt aber auch das wahre Gesicht eines amerikanischen Ideals, das sich allmählich selbst zerfleischt.

Zudem stellt es sich insbesondere für die gejagte Stretch als schockierende Fassung von „Alice im Wunderland“ heraus, als sie wortwörtlich durch ein Loch im Boden zum Höllenschlund gelangt. Dort muss sie sich unter halb toten Seelen begraben lassen und wird regelrecht ins tote Fleisch gezwängt – eine überwältigende Ermattung der Gefühle legt sich auf sie, wie auch der Zuschauer eine Angst spürt, die anders, aber mit der Wirkung des Originals mithalten kann. Hoopers Fortsetzung ist in seiner Stärke eben nicht nur eine ungewöhnliche Erweiterung des Grundthemas, sondern ein ungewöhnlicher Horrorfilm – alleine in puncto Tempo und der Charakterzeichnung, die das unebene Prozedere eigenständiger und gleichsam greifbarer machen.

So kommt hier ein Leatherface (Bill Johnson) zustande, der entgegen seiner Erscheinung von sexueller Frustration gezeichnet ist und Stretch deshalb mit seiner Kettensäge als verlängertem Penis zu imponieren versucht. Lust und Angst treffen hier direkt aufeinander – weil der Film eine Visualisierung wagt, die jenseits der Prüfstellen und etablierten Filmstudios entstehen musste. Nicht nur deshalb ist Tobe Hoopers Ekstase der Furcht ein Unding, das einem bizarren Ausdruck innerer Schwächen sowie sadistischen Impulsen folgt, aber dennoch mit schwarzhumorigem Blick unterhält und schockiert. So ist selbst zum Schluss die hitzige Flucht aus dem Wunderland keine sichere Rettung, sondern eher ein weiterer Rückfall in die Tiefen Amerikas, welche immerhin hochgeschwemmt werden. So was Offenherziges sollte sich eigentlich nicht verbieten lassen.

Meinungen

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