Gary Goddards „Masters of the Universe“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“

Für die Vorstellung fremder und weit entfernter Welten ist dem Menschen in seiner Ablenkung vom grauen Alltag jedes Mittel recht. Daher mussten und sollten filmische Umsetzungen dieser Ambition im Auftrag der liebenswerten Kindsköpfe der Cannon-Produktionsschmiede meist ohne entsprechende Geldsummen verwirklicht werden. Nah am Größenwahn bemühten sich Menahem Golan und Yoram Globus aber um 1987 darum, als ernst zu nehmende Blockbuster-Filmlieferanten wahrgenommen zu werden. Aus diesem Grund wurden für bestimmte Filme massive Budgets aufgewendet, mit denen man vormals noch mehrere kostengünstige Reißer effektiv vermarkten konnte. Zusammen mit „Over the Top“ und „Superman IV – Die Welt am Abgrund“ bildete „Masters of the Universe“ ein Trio an Filmen, die für Cannons Verhältnisse maßlos überteuert waren (in diesem Fall circa 22 Millionen Dollar) und trotzdem unter dem Qualitätsstandard lagen, den derartige Projekte erforderten. Gary Goddards Umsetzung der profitablen Mattel-Spielzeugmarke He-Man versucht daher ihr Bestes, als groß angelegtes Unterhaltungskino zu überzeugen, obwohl sie unter deutlichen Kompromissen zu leiden hatte.

Was nämlich in der Zeichentrickserie „He-Man – Im Tal der Macht“ zur Ensemble-Saga um den Planeten Eternia aufgebaut wurde, muss sich hier den Platz mit einer Erdung auf unserem Planeten teilen. Dabei scheint es zunächst so, dass Titelheld He-Man (Dolph Lundgren) mit Laserknarre und seinem Schwert mit der Macht von Greyskull sowie seine Kollegen Duncan (Jon Cypher) und Teela (Chelsea Field) den Nukleus des Narrativs steuern werden. Im Kampf gegen den bösen Herrscher Skeletor (Frank Langella) drängt es beide Parteien nämlich zur Erringung des Kosmischen Schlüssels – einem irren Werkzeug, mit dem sich interdimensionale Tore öffnen lassen und die Macht um das ganze Universum auf dem Spiel steht. So flüchtet die Truppe der Krieger zusammen mit Erfinder-Gnom Gwildor (Billy Barty) auf einen fremden Planeten, der uns Zuschauern aber umso vertrauter vorkommt. Im Grunde versucht Drehbuchautor David Odell hier eine Wiederholung des „Terminator“-Erfolgskonzepts, indem er opulente Sci-Fi-Fantastik auf bodenständiges Personal der Gegenwart treffen lässt.

High-School-Teenie Julie Winston (Courteney Cox) arbeitet wie einst Sarah Connor in einem Fast-Food-Laden und lässt vermuten, dass sie im Folgenden zur konkreten Identifikationsfigur des Films oder eben der menschliche Gegenpart zum heroischen He-Man werden dürfte. Ihre extensive Charakterzeichnung legt ein Hadern mit der Zukunft offen sowie ein Schuldgefühl, den Tod ihrer Eltern mit verursacht zu haben. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als sie wieder zu kriegen. Und obwohl ihr Beau Kevin (Robert Duncan McNeill) von dieser Hoffnung abrät, erscheint gerade das für geschulte Zuschauer ein weiteres primäres Ziel des Films herbeizusehnen. Das bleibt aber nicht der einzige narrative Zusatz, der zur Selbsterfüllung bearbeitet werden muss. Sobald He-Man und Co. nämlich mit ihrer ulkigen Erforschung des suburbanen Los Angeles auf Julie treffen und Skeletors Schergen mitbringen, wechselt der Film seinen Fokus plötzlich auf Kevin. Dieser hält den Kosmischen Schlüssel für einen Synthesizer und macht sich nach einem Angriff der Bösen auf die Suche nach Julie, weshalb er zusammen mit dem launischen Detective Lubic (der stets unterhaltsame James Tolkan) erst mal zehn Minuten lang auf sie in ihrem Haus wartet und sich was zu essen macht.

Später, sobald sich allesamt auf den wie leer gefegten Straßen von L.A. treffen und Skeletors Truppen die Macht sicher haben, glaubt Kevin nicht daran, dass er allein (und mit der Hilfe der Anderen) noch etwas gegen die Bedrohung ausrichten kann. Doch Gwildor versichert ihm, dass er es schaffen wird, weil er wie jeder von ihnen einzigartig ist. Mit dieser naiven Motivation geht Kevin dann doch noch entschieden ans Werk und mit gemeinsamen Kräften schafft es He-Man dann auch, auf Eternia einen furiosen Showdown gegen Skeletor zu führen. Wie man an dieser kurzen Zusammenfassung der Ereignisse merkt, hat „Masters of the Universe“ eine Menge Boden zu beackern und keine feste Richtung, in die er sich konzentrieren kann. Mehrere Handlungsstränge führen irgendwie zueinander, ergeben jedoch immer weiter aneckende Töne, die mit ihrer Verzweiflung zur Unterhaltung nicht verschleiern können, dass sich niemand ernsthafte Gedanken um das Gesamtprodukt gemacht hat. Doch was bringt es schon bei einer Cannon-Produktion, derartige Ziellosigkeit zu kritisieren? Der geringe Anteil, den der Film für eine stimmige Botschaft oder ein fesselndes Charakterporträt aufwendet (man wird schlicht Beobachter des Ganzen, denn wirklich emotional involviert), macht er anhand einer dringlichen Unmittelbarkeit wieder wett.

Opulente Sets und Kostüme, explosive Actionsequenzen und Effekte, kindische Spielfreude und ehrenhafte Superhelden: Alle Faktoren geben 110 Prozent und retten mit buntem Elan den Tag; drohen stets, am Drehbuch und am Geld zu zerbröseln, ehe doch noch der nächste irre Schauwert probiert wird und alle herzlich miteinander über die neuen Verkleidungen Gwildors lachen können. Wie schreit es He-Man doch so schön: „Ich habe die Kraft!“ Goddards Film funktioniert nach einer Logik, für die man sich als Kind eher begeistern kann, weil man es schlicht noch nicht besser weiß. Mit jungen Augen sieht man eben nur: „Da sind He-Man und seine Freunde, jetzt in echt! Und Skeletor sieht gruselig aus und will alle töten – dem zeigen wir es! Wow, bunte Lichter!“ In dem Alter ist für manche Kinder genau so etwas das Wichtigste auf der ganzen Welt. Und da weiß der Film noch präzise genug, wie er diesen Spaß erschaffen kann. „Masters of the Universe“ ist insgesamt aber auch ein Relikt aus einer Ära, in der ein Film eskapistischer Natur sich selbst noch treu blieb und keinen prätentiösen doppelten Boden aufschlug; der sich keine Ambivalenzen zwischen Gut und Böse einreden oder Reflexionen globaler Politik visualisieren musste.

In den Abenteuern von He-Man (und Julie und Kevin) steckt eine Unschuld, für die alle Wege offen sind und Spannung versprechen – selbst wenn diese für erwachsenere Zuschauer fast gänzlich uninteressant oder zu oberflächlich daher kommen. Hauptsache zum Schluss wird alles gut und wie in einem Märchen aufgelöst – der Glaube an Eternia erfüllt alle Herzenswünsche, selbst wenn manche aufgrund begrenzter Drehzeit ohne Etablierung auftreten. Für Cannon ging die Rechnung nicht auf, obwohl man sich so angestrengt hatte, allen zu gefallen. Deshalb steckt auch so viel Ungreifbares im Film, das eigentlich an sich selbst scheitern müsste. Stattdessen ist Gary Goddards bisher einziger Spielfilm heute noch eine Anlaufstelle nostalgischer Verklärung, deren Kurzweil im Kalkül ungebrochen bleibt.

Meinungen

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