Verborgen im Dickicht der Medienlandschaft ist stets noch immer etwas zu finden, das in keine Schublade passt und jenem Satz gerecht wird: „So etwas hast du noch nicht gesehen!“ Für derart Geheimnisvolles muss man manchmal tief graben – und bezeichnenderweise heißt eine der neuesten Errungenschaften jener Bemühung: „Der Bunker“. Was sich in der Titel gebenden Anlage abspielt, ist nämlich garantiert alles andere als gewöhnlich und trotz seines fixen Standpunkts undurchsichtig bis zum Schluss. Der Film von Nikias Chryssos stellt eine familiäre Einheit vor, die von einem Studenten (Pit Bukowski) besucht und nur schwer verstanden wird. Das liegt aber bereits an der urigen Atmosphäre ringsum und eben jener Selbstverständlichkeit, mit der eine Idylle des Zusammenlebens unter solchen Umständen geführt wird.

Alles daran wirkt von Grund auf merkwürdig; wie man sich als Unbeteiligter eben in fremden Familien fühlt: Der Vater (David Scheller) lässt den gebildeten Mustermann heraushängen und setzt bei sogenannten Witzeabenden Schminke auf, reißt durchweg altbackene Witze und Wortspiele. Abseits davon bestraft er seinen Sohn aber auch mit dem Lehrerstock, wie es von moderner Erziehung nicht weiter entfernt sein könnte. Die Mutter hingegen probiert sich in Güte, verbirgt aber zeitgleich ein übermenschliches Geheimnis unter den Beinkleidern und ist psychisch ohnehin keine sichere Bank. Auch bei ihr dreht sich nämlich alles um den Sohn, Klaus (Daniel Fripan) – ein etwas kleingewachsener, doch optisch weit älterer Knabe, dessen Intelligenz der eines Kleinkindes entspricht und der auch dementsprechend gekleidet ist. Da der Student kein Geld hat, seine Forschungen und Verpflegung aber in aller Ruhe weiter verfolgen will, willigt er schließlich ein, Klaus ein paar Sachen beizubringen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Die Integrität dieser eigensinnigen Konstellation im Bunker entpuppt sich als irrwitzig und ungemütlich. Wie der Student ist man als Zuschauer dazu gezwungen, zu beobachten und mitzumachen, ganz gleich, was geschieht und wie lange der Anstand es noch zulässt. Gewiss zeichnet sich hier ein unterhaltsames Spektrum ab, das die Strukturen familiärer wie gesellschaftlicher Ideale ad absurdum führt und die Angst vor der Außen- und Innenwelt konfrontiert. Es betrügt jedoch nie seine Wurzeln, auch, weil sich diese nie entblößen, sondern höchstens die (soweit möglich) logischen Ausmaße präsentieren; unter anderem anhand von ödipalen Komplexen und der Ermöglichung dieser durch die Mutter. Fakt ist, dass „Der Bunker“ als Film zwar den Reiz jener Ungewissheit erforscht, doch diesen nicht in türmende Eskalationen sprengt. Er bleibt so verwurzelt in der Umgebung, wie er angefangen hat; erwirkt zwar gewissermaßen Veränderung und ein vergnügt verirrtes Verständnis von Bildung sowie Coming of Age, lanciert aber keinen Aufstieg zur bewussten Belustigung oder ähnlicher Erkennungsmuster.

Daher mag er in seiner Konzentration zeitweise feststecken, sprich sein Konzept angemessen auszuschöpfen. Doch irgendwo findet er nicht den rechten Bogen ins Überwältigende, wenn man denn diesen Anspruch als Zuschauer einbringt. Schließlich ist es aber doch selten, dass ein Film vom Kopf bis zur Sohle seinen eigenen Prinzipien folgt, ob sie nun vollends aufgehen oder nicht. Da wirkt auch nicht jede dramaturgische Entwicklung gänzlich natürlich, zumindest, was die Projektionsfläche des Zuschauers im Studenten betrifft. Und sowieso ist es etwas ernüchternd, wenn Fragen, mögen sie noch so irrelevant sein, nicht beantwortet werden – was aber auch mit den festgefahrenen Sehgewohnheiten zusammenhängt, die Regisseur Chryssos zwar aufmischt, aber auch nicht mit Vollgas provoziert. Er ruft reichlich unbedarften Pep auf den Plan – doch zum radikalen Meisterwerk fehlt noch der letzte Schritt. Auf dem Weg kann man allerdings noch gut weitermachen beziehungsweise tiefer graben, bis der psychologische Horrorspaß der Familie einen wirklich aus den Socken haut.

Meinungen

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