Es war einmal vor langer Zeit, da gab es drei Könige und eine Königin … so hätte Matteo Garrones Märchengroteske „Das Märchen der Märchen“ („Il racconto dei racconti“), die in Cannes im Wettbewerb um die Goldene Palme kämpft, eigentlich ganz klassisch beginnen können. Tut sie aber nicht. Stattdessen tummeln sich zahlreiche Narren vor dem Schloss, um sich vor dem einen König, der Königin und ihrer Gefolgschaft zum Affen zu machen. Sie turnen, spielen mit Feuer, beschimpfen sich gegenseitig … und alle finden das extrem lustig – außer der Königin. Sie verzieht keine Miene, ist zutiefst traurig und springt erbost von ihrem Thron auf, als eine Närrin ihren schwangeren Bauch präsentiert. Und hier liegt das Problem: Sie kann keine Kinder bekommen. Ihr bleibt nur eine letzte Chance, das Herz eines Unterwasserdrachens zu essen, damit sie über Nacht schwanger wird. Dann sitzt da also Selma Hayek als Königin auf ihrem hölzernen Herrscherstuhl an der weißen Tafel und verschlingt das riesige, blutende Herz auf dem Silberteller vor ihr – mit Messer und Gabel natürlich; Ordnung muss schließlich sein.

Der Italiener Matteo Garrone, der vor allem durch seinen brutalen Mafia-Thriller „Gomorrha“ bekannt wurde, nimmt Teile des „Pentameron“ von Giambattista Basile, einer Märchensammlung aus dem 17. Jahrhundert, lässt internationale Filmstars (Selma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, John C. Reilly) in kunterbunten Kostümen durch fantastische Naturlandschaften streifen und verstrickt die einzelnen Geschichtchen zu einem skurrilen und überzeichneten Geflecht aus Sex, Intrigen und gruselige Zauberwesen: Dann muss der König für seine Königin einen Unterwasserdrachen erlegen und stirbt dabei selbst, dann wird die Tochter eines anderen Königs durch ein Ratespiel an einen ekligen Oger-Riesen verschachert, dann verwandelt sich ein hässliches Waschweib in eine rothaarige Schönheit und heiratet den dritten König. Es entsteht ein Film, der gleich mehrere Filme in sich vereint und zwischen den einzelnen Erzählsträngen hin und her springt, bis sich diese Episoden am Ende zu einem großen Ganzen vermengen – zumindest für kurze Zeit, wenn sich alle Majestäten am Ende auf einem Schloss versammeln.

Irgendwie fühlt es sich an, als könnte man diese skurrilen Geschichten noch viel weiter ausbauen. Vielleicht ein passender Stoff für einen Netflix-Konkurrenten zu „Game of Thrones“? Vielleicht hat ja Netflix-Chef Ted Sarandos, der am Freitag auf einer Talkrunde in Cannes über die Zukunft des Films sprach, bereits mit Garrone verhandelt. Dafür gibt’s ja schließlich ein Filmfestival. Und dann heißt es: Vernetzung ist alles.

Meinungen

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