Paul Schrader schafft es bei jedem neuen Projekt immer wieder, hinter den Kulissen als Querkopf durchzugehen. Übel nehmen kann man es ihm als einer der wenigen noch aktiven Veteranen des New Hollywood der Siebziger und Achtziger nicht, dass er besonderen Wert auf Autorenschaft legt und stets bei der Konformität des modernen Filmmarkts aneckt. Jene Kämpfe werden dabei auch gerne in der Öffentlichkeit ausgetragen; mit einer Spannung, welche man den Ergebnissen allerdings kaum ansieht – mal im positiven („The Canyons“) wie auch negativen Sinne („Dominion: Exorzist“). History repeats itself – und so sind alle Parteien wieder in einer ähnlich vertrackten Kiste wie Dying of the Light“ gelandet. Ein Film, welcher einen durchwegs beschwerlichen Weg von der Prä- bis zur Postproduktion zu bewältigen hatte und reichlich Aufregung um sich schürte, jedoch kaum verschleiern kann, wie misslungen das Endprodukt, in jedweder Montage zur Schau aufgerichtet, erscheinen dürfte.

Es mag unter Umständen eine unvollständige Repräsentation von Schraders Film sein, die man aktuell zu Gesicht bekommt. Inhaltlich und stilistisch gesehen bezieht sich der erhalten gebliebene Film allerdings auch so auf visuelle und ideologische Einfältigkeiten, die nur wenig Freiraum für charakterliche Grauzonen oder anderen Mehrwert jenseits des Offensichtlichen übrig lassen. Schrader findet dabei zweifellos auch für sich einen emotionalen Bezugspunkt zum Protagonisten Evan Lake (Nicolas Cage). Dieser versucht als alternder CIA-Agent seit zwanzig Jahren seinen Peiniger von einst, Muhammed Banir, zu finden, die Narben der Folter in Erinnerung tragend, obwohl die gesamte Agentur meint, er würde schlicht einem Geist hinterherjagen. Seine Zeit wird aber unabhängig davon knapp, als ihm eine schleichende Demenz diagnostiziert wird. Jener kontinuierliche Aufbau der Hirnkrankheit birgt dann auch die größte Stärke des Films: nämlich Schraders Ambition zu veräußerlichen, wie Lake die Faktoren der geistigen Verwirrung zu verdrängen versucht, bis sie nach einigen deutlichen Ankündigungen in der Minute der Wahrheit in blanke Unfähigkeit ausbrechen.

Dieses Verhalten gleicht auch der nervösen Wut von Lake, als irrelevant abgestempelt zu werden. Schnell greift er da im Angesicht einer innerlich ablaufenden Sanduhr zu Beschuldigungen der Vorgesetzten, dass diese ihre Werte abgestumpft haben und für nichts mehr einstehen. Eben diese typischen Muster politischer Ambiguität im Genrefilm – hier von der Fuck-verdröhnten Hippeligkeit des Nicolas Cage zumindest zu einer schauspielerisch tickenden Zeitbombe visualisiert. Ebenso dem naiven Genre verpflichtet, zeigt sich sein Ansporn, Banir zu richten, obwohl dieser ebenso allmählich an einer Blutkrankheit dahinscheidet. Das klassische Prinzip der Rache hat Vorrang und muss sich bewähren, bevor das stellvertretende Loch mitten in der Amerikaflagge bei Lake zu Hause wie in seinem Kopf immer größer wird. Eben solche ganz simplen Bilder zeigen das mangelnde Feingefühl Schraders, seiner Story jenseits des groben Thrills eine stimmige Motivation aufzubauen. Klar, Frederik Wiedmanns austauschbarer Score hebt sich da auch kaum über den Standard heraus. Doch abseits dessen ist ein unbeholfenes Gegengewicht im Gesamteindruck festzustellen, welches gegen das Potenzial eines eindringlichen Charakterdramas arbeitet.

In einigen Szenen scheint jener Hang zum Verständnis allerdings noch durch, gerade dank der entschiedenen, visuellen Nüchternheit Schraders. Beispielsweise, wenn Lakes einziger verbliebener Partner Milton Schultz (Anton Yelchin) ihn des Nachts auf einer Parkbank in Bukarest findet und der verwirrte Lake Hundehaare fühlt, wenn er die Jacke von Schultz berührt. Es sind jene Momente des Zerfalls, die eher persönlich resonieren als beliebige Ostblock- und Nahost-Klischees, die in ihrer Redundanz schon von Schraders Drehbuch hätten getilgt werden müssen. Hier lenken sie aber vom Kern des Ganzen ab und präsentieren tristes Einerlei für Action-Allesfresser. Ein mangelndes Budget spielt dabei sicher auch noch eine Rolle im unnötigen Ballast von Stock-Footage, mäßigem Greenscreen sowie spärlichen Kulissen. Im letzten Drittel lässt Schrader diese Umstände aber hinter sich und setzt zur Konfrontation an, in jene matten Gegner in einem Schwitzkasten der Erinnerungen und Ideale zum Kochen gebracht werden.

Zur Genugtuung reicht es dann nicht mehr – vielmehr siegt die Angst des Vergessens; jene der Persönlichkeit, aber auch der Wahrheit oder der als solche manifestierten. Das Finale aber findet dann doch wieder die klare Linie einer (Selbst-)Gerechtigkeit, die aber auch nur Auge gegen Auge ausspielt und einen von den beiden zum Sieger erklärt. Schrader stellt diesen erneut erfüllten Kreislauf der Rache als so selbstverständlich heraus, dass man trotz des Fehlens des Zeremoniellen einige moralische Bedenken ziehen kann. Ihm liegt es sicherlich bei diesem Film daran, die Selbsterhaltung des Dickkopfes und quer denkenden Außenseiters – wie man Schrader ja auch offenbar seit jeher behandelt – zu stilisieren. Klassische Werte des Schaffens muss er wohl mit Gewalt verteidigen. Doch die Empathie reicht nur bis zu einem gewissen Grad. Erst recht, wenn er meint, sich dabei noch an eine Einfallslosigkeit anbiedern zu müssen, die ihr Publikum für anspruchslos hält. Hat bei diesem Cut also eher das Studio Schuld als Schrader? Möglich. Aber er könnte sich auch selbst nicht besser retten, dieser Mann, dessen ruhmreiche Vergangenheit allmählich verblasst.

Meinungen

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