Es stampft die Jugend im Rausch der Party voran, mit Verdrossenheit dem Alltag gegenüber, und doch mitten im Stroboskoplicht. Im Impuls des jungen Lebens wächst die Persönlichkeit aber noch und geht dementsprechend in der Clique unter, bis dann doch der Urknall des Coming of Age passiert. „Der Nachtmahr“ kommt auf abstraktem Wege der Pubertät auf die Schliche, Regisseur und Drehbuchautor Achim Bornhak (Akiz) lässt dafür eine Kreatur gebären, die seiner jungen Protagonistin Tina (Carolyn Genzkow) entwachsen zu sein scheint. Woher, warum und wie sind Fragen, die bewusst ausgeschlossen werden dürfen, sobald die psychotronische Beobachtung des Feierns in einem Alltag mündet, der kaum mit Individuen umgehen kann. Was nervt alleine die Schule kurz vor dem Abitur, was nerven die Lästereien des Freundeskreises und vor allem die lieben Eltern innerhalb des wackelnden Weitwinkelauges der Kamera, das sich offen einem irren Feeling hingibt. Tina kommt nämlich faustdick eine Welle des Unverständnisses entgegen, sobald sie in der behüteten Familienvilla urige Geräusche vernimmt und auch bald eine Kreatur naschend am Kühlschrank sichtet. Ehe sie diese irgendjemandem zeigen kann, setzt allerdings der Vorführeffekt ein: Das Wesen entschwindet stets und lässt Tina bald als psychologischen Pflegefall zurück, der mit Binsenweisheiten zum Realitätsverständnis angefüttert und von den verharmlosenden Erziehungsberechtigten unterschätzt wird.

Wie sich aber bald herausstellt, ist die vermeintliche Fantasie zum Greifen nahe und ein Teil ihrer selbst, erlebt dieselben Gefühle und Verletzungen, auf dass die Annäherung eine selbstverständliche unter Zwillingen wird. Akiz tastet zärtlich zur Empathie vor, verwendet allerdings keine Konventionen des Erzählens, da er lieber den fettesten Beat der Welt aus dem Nichts ins Schnittgewitter setzt. Erwartungen bleiben außen vor, stattdessen erlebt man den Film zeitweise als Attacke sowie als eigenwillige Studie, die in ihrer Irritation neues, reizvolles Kino ausmacht und nah dran bleibt, ohne Stimmung forcieren zu müssen. Schon das Schauspiel gibt sich rotzig in seiner Bewegung und bar jeder Hemmung, kann im Angesicht des Unwesens aber auch nicht Herr der Lage sein und erschafft somit einen Gesellschaftsjux, der umso schöner wird, je weniger er sich von einer Dramaturgie erwürgen lässt. Nun zieht Akiz seinen Tumult straff durch und hält einzelne Abläufe verständlich, entzieht den Verweisstücken auf die Genrewelt („E.T.“, „Basket Case“, „Nightmare“, etc.) aber auch deren bekannte Funktionen und schafft Verwunderung und Spannung aus dem stillen Geschehen eines anfangs noch abgefuckten Horrors, der allmählich Sympathien anzieht. Dennoch bleibt die Befremdlichkeit, wie auch Tina ihre Eigenständigkeit in Hotpants anfeuert. Die Erfahrung Film, die sich sodann in Gang setzt, kann man Freak nennen, aber solch Pauschalisierung wäre ja auch irgendwo „furchtbar degradierend“, wie Tinas Vater es so schön ausdrückt.

Meinungen

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