Es war einmal ein ägyptisches Polizeiorchester: eine Bande von ausgesetzten Männern im Militärgewand, die spielten auf ihren Instrumenten und summten daher und dahin, wussten nie so recht wohin. Eines Tages, der Mond musste es nicht bös gemeint haben, strandeten sie auf der Reise zu einem Eröffnungsfest – zu einem unwichtigen Konzert, eines der wenigen, welches sie in Monaten gehabt hatten – in einer verlassenen, staubigen Idylle. Vom Flughafen wurden sie schon von der eigenen Botschaft nicht abgeholt. Und auch das fremde Land ist ihnen nicht freundlich gesonnen: Da bestechen Städte unterschiedlicher Schriftweise durch gleiche Aussprache, Hotels liegen meilenweit entfernt und nur ein einziges kleines Restaurant steht am Rande des Wahnsinns. Die schräge Bande kann nicht anders (der Bus trifft schließlich nur einmal am Tag ein) und Essen und Schlaf sind vor dem großen Auftritt dringend notwendig. Sie beschließen der Bitte einer Restaurant-Leiterin auf eine Nacht bei ihr Folge zu leisten. Ein Tag folgt und alles kehrt ein mit seiner unbarmherzigen Menschlichkeit, dem Treffen von Kulturen und dem spontanen Verständnis entgegen aller Barrieren.
Es gibt Momente, in denen ist die Zukunft klar vorgeschrieben, in denen steht hundertprozentig fest, welche Richtung eingeschlagen wird und welche Hoffnungen berechtigt sind. Nach dem Blick auf die steif gefrorene Truppe von Polizisten fließt eine ungewohnte Leichtigkeit, ein unbeschwertes Schnurren voller Reife und Verständnis durch „Die Band von nebenan“, den 2007 beim Festival de Cannes mit dem Coup de Coeur ausgezeichneten Film, den israelischen noch dazu. In Amerika wäre es eine hauseigene Tragikkomödie geworden, mit kleinen Schauspielern und ausgezeichneten Drehbuchautoren am Rande, und ein Erfolg wahrscheinlich, der winzige bei den Oscars. Problematisch wird es bei der Erwähnung Israels. Ist es möglich einen Film aus diesem Land zu sehen und nicht die Anwesenheit des Krieges zu spüren, nur Bilder und Schauspieler auf der Leinwand? Wie beinahe armselig diese Frage doch wirkt, bei all den Weisheiten, den sympathischen Charakteren, den unbekannten und doch so vertraut wirkenden Sperenzien, welche „Die Band von nebenan“ von sich gibt. Wie armselig, aber doch leider: wie wahr.
Jede Sekunde strotzt geradezu vor der unentbehrlichen Inspiration eines Regisseurs, der alle Freiheiten besaß, unzählige Förderer um sich schlang und nur Film machen wollte. Unentwegt begleitet ein Herz die obskure Geschichte und ebenso ein Feuer, ein Schmunzeln, vor allem ein ehrliches. Am ehesten hängt eine Prise Slapstick in der Luft. Sie verleitet in Momentaufnahmen, in den kleinen Blicken nebenher, zu befreiten Lachern. Und doch ist Unbehagen zu spüren. Woher kommt diese Komik von zerstreuten und liebevollen Personen? Woher der Tatendrang? Real und skurril wirkt das Geschehen. Polizeiorchester? Nirwana? Regisseur Eran Kolirin löst die Zügel des Amerikanischen und präsentiert: einen vollkommen anderen amerikanischen Film, der in seiner Amerikanisierung subtiler, liebevoller daherkommt, als der gesamte Mischmasch aus dem teuren Westen. Amerikanisch, ja. Aber einmalig ist er abseits des Schimpfwortes „Amerika“, der vergangenen Bush-Regierung, der Fettleibigkeit. Hier steht zart Independent auf den Plakaten geschrieben. Es ist kein Slogan, sondern immer noch wahr.
Kritische Untertöne legen sich gerne über „Die Band von nebenan“. Aber es sind nur kleine Teufelswerkzeuge, keine großen Sachen, sie werden lediglich nebenbei erwähnt. Bezeichnend ist die Musik, traurigerweise vergessen vom Publikum; der strenge Offizier, verlassen von Kind und Frau; der Junge, der nie lernte eine Frau anzusprechen. Bei der Masse unerbittlicher Komik herrscht in Kolirins Weisheitenkabinett unterwegs leichte Überstrukturierung, Zähflüssigkeit, aufgedreht gewollter Witz. Verzeihlich für diesen jungen Spund, für „Die Band von nebenan“, für die erbarmungslose Kraft der stoischen Performances. Plötzlich besteht wieder die Erkenntnis, was Film einmal sein sollte, was er im Herzen der Menschen einmal verrichten konnte. Film kennt keine Sprache, kein Produktionsland, keine Schauspieler. Film, das ist nur eine gezielte Mischung, die über alle Grenzen hinweg arbeitet und sich sicher und langsam in die Seele eines jeden schleicht. Manchmal kommt er klischeehalber aus Israel und stümperhaft, gar lächerlich wird solch ein Werk aus diesem Herstellungsland von Beginn an ins Niemandsland getragen. Vielleicht ein Weg zu neuer Offenheit, ein eben solches schrubbeliges, einsames Gut ohne alle Vorurteile in der Seele weiter zu tragen. Film war einmal ehrlich, grob, berührend. „Die Band von nebenan“ ist all dies: ehrlich, grob, berührend.
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