Naomi Watts spielt in Theodore Melfis „St. Vincent“ eine schwangere russische Go-go-Tänzerin namens Daka. Oder eher eine Prostituierte, die entweder auf der Stange Bill Murrays oder jener einer Abendlokalität vertikal hoch und runter holpert, dabei eine Plastikattrappe als Bauch vor sich hin schleppt und den Versuch unternimmt, eines russischen Akzents mächtig zu werden. Später saugt sie einmal staub – und zwar ähnlich energisch wie Jennifer Lawrence ihren Staubwedel in „American Hustle“ über Wohnzimmerritzen schwang. Ohne, dass danach Mikrowellen explodieren. Grundsätzlich wäre allerdings alles möglich; allein, weil „St. Vincent“ eine urheimelige amerikanische Tragikkomödie ist. Oder sein möchte. Daher spielt sich die musikalische Untermalung Theodore Shapiros ebenso auf wie Watts: zwischen melodramatischen Vibes, Liedern aus dem Indie-Setzkasten („The National“, „Jefferson Airplane“, „Jeff Tweedy“) und pseudo-pointiert-erwachsenem Geplänkel eines Zwölfjährigen. Zuckersüß. Wirklich. Bis Bill Murray einen Schlaganfall hat – dann wird’s ernster.

Aber „St. Vincent“ in seiner filmischen Qualität – geschweige denn Originalität – nicht wesentlich besser, sondern vielmehr überfordert ob seiner nun trübsinnigeren Komponenten und des Anspruchs, dass er plötzlich überhaupt einen Anspruch habe. Und aus der Geschichte eines neunmalklugen Jungen, der nach einem Umzug mit der alleinerziehenden Mum (Melissa McCarthy spielt eine Variation Kathy Bates’) neben dem alkoholsüchtigen Grattler Vincent (Murray) strandet, kreiert Theodore Melfi die Geschichte eines Tandlers, der Vietnam überlebte und nun zum Schulheiligen geadelt werden soll, weil er den Babysitter des Jungen spielte. Deswegen „St. Vincent“. Filmtitel geklärt. Aber was der Rest dieses Emotionsmassakers soll, weiß höchstens das Gras vor und hinter Vincents Veranda. Jenes ist nämlich tot. Wie auch Melfis Debütfilm, der sich zwar erst ins Bewusstsein pöbelt, aber noch weniger als andere Vertreter desselben hoffnungsfrohen Feel-Good-Genres erzählt, worum es ihm wirklich geht. Bill Murray ist ein Arsch, aber hat dazu allen Grund. Mehr Charakterisierung darf nicht erwartet werden.

Da legt Naomi Watts nochmals los. Nach dem Putzen muss sie schließlich gebären. Heilige …

Meinungen

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Bisherige Meinungen

MvV
2. Januar 2015
01:27 Uhr

Der Hauptcharakter Vincent hat einen Schlaganfall, keinen Herzinfarkt.

2. Januar 2015
11:57 Uhr

Danke, ist geändert! (Wenn das doch nur den Film besser machen würde.)

MvV
3. Januar 2015
03:13 Uhr

Ich find ihn super. Perfektes Thanksgiving/Holiday Kino.

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