Ein guter Filmemacher ist nicht immer unbedingt jemand, der gute Filme macht. Oder einer, der wirklich etwas von seinem Handwerk versteht. Ein guter oder besser gesagt beachtenswerter Filmemacher bleibt auf seine Art und Weise im Gedächtnis; wie er sich selbst, seine Produktion und seine Darsteller führt; mit welcher Lust und Ambition er an die Erschaffung seiner ganz persönlichen Kunst herangeht. Auch wenn Edward D. Wood Jr. zu Lebzeiten keinen Erfolg genoss und mit seinem filmischen Werk eine Gurke nach der anderen hinlegte, hat sich um den amerikanischen Regisseur posthum ein legendärer Ruf gebildet, der sich an seinem unbedingten Ehrgeiz bei handwerklicher Unfähigkeit erklären lässt. Im finanziellen Sumpf der B-Movies war er schon recht effizient, aber selbst für dortige Verhältnisse unfassbar schludrig unterwegs und zudem in seinen thematischen Eigenarten kaum zu bändigen. Dementsprechend urig erschienen auch seine Mitstreiter, die mehr oder weniger die Außenseiterstellung ihres Rudelführers bestätigten und zusammen in einer Traube des Underdog-Unvermögens verharrten.

Eine aufregende historische Ausgangslage für Regisseur Tim Burton, der seinem Kollegen im Geiste mit „Ed Wood“ ein ehrliches wie irres Denkmal setzt. Ohne Umwege erweckt er dessen Welt von Neuem, gleitet durch pappige Friedhöfe ins von UFOs heimgesuchte Hollywood, nachdem Wahrsager Criswell (Jeffrey Jones) wie in „Plan 9 aus dem Weltall“ (1959) den Zuschauer direkt dazu herausfordert, ob er die folgenden Visionen vom Leben des Ed Wood verkraften könne. In Schwarz-Weiß und mit Theremin-Begleitung bewegt man sich fortan durch den Mikrokosmos des exzentrischen Traumtänzers Wood (Johnny Depp), der mit stets strahlender Miene jeden Misserfolg zum Positiven verklärt und alle Freunde bis zum bitteren Ende mitzieht, wenn diese denn nicht mit schnauzendem Hass das Weite suchen. Das fängt auf der Theaterbühne an und geht im Traum des Filmemachens in die schäbigsten Studios der Stadt weiter: Klobige Sets, lumpige Darstellerleistungen durch mangelhafte Regie und dürftige Finanzierung gesellen sich an allen Stationen des gemeinsamen Wirkens, durch welches sich Wood mit seinen Vorderzahn-Prothesen durchbeißen muss.

Freundin Dolores Fuller (Sarah Jessica Parker) unterstützt ihn ebenso mit provinzieller Nettigkeit, später jedoch entpuppt sich ihr Unmut als brutale Absage. Gemessen an den Umständen musste es ja auch geschehen – in angemessen melodramatischer und aufbrausender Gestik, wie auch die Studiobosse Los Angeles’ mit rasender Wut den Erzeugnissen Woods begegnen. Wie so oft bei Burton treffen hier Welten des (Un-)Verständnisses aufeinander: Die Allgemeinheit stößt sich am unschuldigen Querkopf, der auf seine eigene Art dazugehören und Verständnis erhalten möchte, aber damit gleichzeitig ein großes Scheitern hinauf beschwört. Der Melancholie eines „Frankenweenie“ oder „Edward mit den Scherenhänden“ hat hier natürlich auch ihren Platz – ganz zu schweigen von der Dualität der Hauptfigur, die ihren Herzenswunsch des transvestitischen Lebens im Angora-Pullover zurückhalten und nur im Film ausleben kann (siehe auch „Batmans Rückkehr“). Doch „Ed Wood“ erkennt auch die komische Dimension des Ganzen an, wie es der unnachgiebig frohmütige Protagonist seiner Umwelt gleich tut und seinen indiskutablen Filmen Charme verlieh. Das Skript von Scott Alexander und Larry Karaszewski („Big Eyes“) spekuliert sich auch gerne einige Pointen zum Biopic zusammen (insbesondere die tumbe Figur des Tor Johnson sorgt für Lacher) und gibt fletschenden Kraftausdrücken Luft wie hier auch das grandiose Chaos der Produktionsmechanismen durchweg zur Erheiterung beitragen.

Der Film ist insoweit auch wieder ehrlich, da er derartige Umstände nicht als ehrenvollen Verdienst darstellt und sogar (unbewusst?) exploitative Ansätze im Charakter Woods benennt. Wenn aber etwas ungebrochen verbleibt, dann die Würde des Filmemachers, seine Vision auf Zelluloid bannen zu wollen. Das verselbstständigt sich sodann im Herzstück von Burtons Film, in welchem Wood auf Altstar Bela Lugosi (Martin Landau) trifft und ihn als alternde Ikone noch für drei seiner Streifen einsetzt, eher dieser an den Spätfolgen der Morphiumsucht in Armut verstirbt. Da treffen sich zwei verletzliche Ausgestoßene aus verschiedenen Generationen, um sich gemeinsam gegen die Wahrheit zu verschwören – und das, obwohl Wood Lugosi bei der Arbeit genauso taktlos einsetzt und manipuliert wie alle anderen und Lugosi wiederum nur wenig Enthusiasmus für die entstehenden Werke zeigt. Business is business, aber die Freundschaft der Beiden gründet sich dennoch auf einem tiefen Verständnis füreinander und für den beglückenden Reiz des Kinos, dem Burton in seiner Bildgestaltung expressive Akzentuierungen zugesteht – erst recht in diesen obskuren Tiefen der Vergangenheit; selbst im Horror der Reha!

„Ed Wood“ schenkt seinen Figuren als Film über liebenswerte Versager eben nichts, stellt deren eigentümlichen Zauber aber dennoch in den Vordergrund, ohne hemmende Sentimentalitäten darauf zu klatschen oder Respekt vorzugaukeln. Stattdessen bleiben alle in ihrer eigenen Welt, die sie ebenso zynisch zerreißen können oder an ihr scheitern; erleben dort schließlich doch noch das individuelle Gelingen, welches im wahren Leben versagt blieb, hier jedoch in entschieden künstlicher Schönheit aufblüht. Objektiv gesehen ist selbst das natürlich hässlich, doch der gute Filmemacher will es so und geht erst recht darin auf, bis man selbst in den trivialsten Gesten die persönliche Poesie entschlüsselt. Tim Burton gelingt nicht nur eine Ode an den abwegigen Kultfilm, sondern bestärkt auch herzlich den individuellen Geist, der jedem von uns innewohnt.

Meinungen

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