Als regelmäßiger Kinobesucher habe ich über die Jahre hinweg einige Filmfestivals besucht. Und auch wenn die Atmosphäre dieser Festivals immer eine ganz besondere ist, kommt man oft nicht dazu, sie richtig zu genießen, da man von Film zu Film hetzt, um möglichst viel sehen zu können. Lav Diaz hat es mit seinem Film „From What Is Before“ allerdings geschafft, einen für mich sehr angenehmen Ruhepol zu setzen. Das Werk des philippinischen Filmemachers geht sage und schreibe 336 Minuten und war somit der längste Film, den ich jemals im Kino gesehen habe (für Diaz’ Verhältnisse ist er laufzeittechnisch übrigens eher im Mittelfeld anzusiedeln). Der Film lief im Rahmen des Filmfest Hamburg und wurde ohne Pause gezeigt. Dies wurde anfangs auch erklärt: Lav Diaz sei sich bewusst, dass seine Filme gewisse Grenzen sprengen. Es sei daher in Ordnung, wenn man hin und wieder den Saal verlassen würde.

Ich bin mir sicher, dass ich nur wenig von dem verstanden habe, was die darauf folgenden fünfeinhalb Stunden gezeigt wurde. Weder kenne ich mich besonders gut mit den politischen Ereignissen aus, die sich auf den Philippinen zugetragen haben, noch würde ich von mir behaupten, dass ich dem Film dies hätte entnehmen können. Aber Verständnis hin oder her: „From What Is Before“ ist trotz seiner Länge ein interessantes Kinoerlebnis. In ruhigen, fast immer statischen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt Lav Diaz die Geschichte einer Stadt zu Zeiten der Diktatur Ferdinand Marcos’. Viel wird nicht geredet – aber die Bilder von Diaz sagen genug aus. Eine beeindruckende, beinahe ewig währende Bootsfahrt zu Beginn des Films (sprich: in den ersten neunzig Minuten) ist ein Beispiel dafür, wie gut Kino auch ohne das gesprochene Wort funktionieren kann.

Das Publikum beim Filmfest Hamburg nahm den Film allerdings eher gemischt auf. Es war vor allem interessant zu beobachten, wann Menschen den Saal betraten oder verließen: Einige räumten das Kino bereits nach einer halben, andere erst nach viereinhalb Stunden; einige betraten den Film auch erst nach neunzig Minuten, nur um zwei Stunden später wieder zu fliehen. Die meisten Kinobesucher blieben aber bis zum Ende – und gaben sich einfach den 336 Minuten von Lav Diaz hin. Am meisten gefiel mir, dass man sich voll und ganz im Film verlieren kann. Denn „From What Is Before“ hat keinen normalen Spannungsaufbau. Da man auch dramaturgisch nicht ausmachen kann, wie weit der Film bereits vorangeschritten ist, wird Zeit relativ – und man hat endlich Zeit, voll und ganz in einen Film einzutauchen. Das ist heutzutage selten geworden. Und es gefällt, dass derartige Filme einem interessierten Publikum auf Festivals angeboten werden.

Lav Diaz gewann mit „From What Is Before“ den Goldenen Leoparden für den besten Film beim Filmfestival von Locarno. Hierzulande kam im Dezember vergangenen Jahres mit „Norte – The End of History“ immerhin sein erster Film regulär in die deutschen Lichtspielhäuser. Dieser ist noch ein klein wenig faszinierender als „From What Is Before“, aber unter uns gesagt auch etwas zugänglicher. Er geht nämlich gerade einmal 250 Minuten.

Meinungen

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