Die Vorfreude war groß, als der erste Trailer zu „Gambit“ veröffentlicht wurde: Alan Rickman zieht vollkommen blank und präsentiert sich in bester britischer Manier dem Publikum. Begleitet von Colin Firth unter der Haube eines Coen’schen Drehbuchs waren die Voraussetzungen großartig. Was Regie-Aushilfe Michael Hoffman aus diesem sich formidabel empor ragenden Gerüst gebaut hat, grenzt an debile Unfähigkeit: Verkorkster Ulk, primitive Selbstgefälligkeit und verschenkte Schauspieler geben sich in dieser britisch-amerikanischen Komödie die Klinke in die Hand.
Als Kurator ist es Harry Deanes (Colin Firth) Aufgabe seinem Chef, dem exzentrischen Milliardär Lionel Shahbander (Alan Rickman), beim Erwerb neuer Kunstgegenstände zu helfen. Doch Harry ist von seinem Chef so genervt, dass er beschließt ihm ein gefälschtes Gemälde von Claude Monet unterzuschieben. Um dies zu verwirklichen heuert Harry das Cowgirl PJ Puznowski (Cameron Diaz) als Lockvogel an, die angeblich im Besitz dieses Gemäldes sein soll. Harry dreht die Sache so, dass Lionel zu der Auffassung gerät, dies sei das Original-Bild und fällt auf den Trick herein. Doch der scheinbar narrensichere Plan funktioniert nur in Harrys Vorstellung so wunderbar – und es kommt, wie es kommen muss und unvorhergesehene Komplikationen entstehen.
Per Definition ist „Gambit – Ein Masterplan“ ein Remake des 1966 erschienen „Das Mädchen aus der Cherry-Bar“ mit Michael Caine in der Hauptrolle. Die Geschichte wurde allerdings soweit verfremdet, dass etwaige Gemeinsamkeiten sich nur in Kleinigkeiten erkennen lassen. Wie schon im Original mutet auch dieser Film als seichte Komödie an. Die nicht abwegig zu implizierende Doppelbödigkeit und Intelligenz, die durch ein Drehbuch der Brüder Joel und Ethan Coen vorausgesetzt hätte werden können, ist im Endprodukt mehr Schein als Sein. Man merkt, dass das Drehbuch einer Schaffenszeit entstammt, in dem sich das Gespann in einem künstlerischen Tief befand. Bezeichnend für eben diesen Tiefpunkt sind lieb gemeinte Komödien wie „Ladykillers“ oder „Ein (un)möglicher Härtefall“. Betrachtet man deren Werke, die sich dem reinen Comedy-Genre zuordnen lassen, lässt sich das auch einfach erklären: Die Trivialität eines solchen Filmes ist kein Produkt für die Raffinesse das Geschwisterpaares, die sie auszuleben im Stande sind.
Ganz untypisch für die Coens stagnieren die Dialoge auf einem primitiven Ast der fehlenden Kreativität. Denn der Humor geht meist bekannte Wege, ob es nun die platte Situationskomik ist oder Witzchen zur Aufheiterung zwischendurch, die auf der englischen Sprache basieren. Typisch für eine britische Komödie liegt auch hier ein großer Fokus auf der Sprache. „Gambit“ verdeutlicht den Aufprall verschiedener Nationen, in dem er die Akzente und Dialekte durch die Schauspieler darstellt. Firth und Rickman spielen den britischen Part, während Cameron Diaz mit ihrem naiven Blondchen-Auftreten die amerikanischen Südstaaten vertritt und in der Absicht scheitert ihrer Figur Sexappeal und Gerissenheit zu verleihen. Zwischendurch erscheint dann noch Stanley Tucci, der mit seinem miserablen deutschen Akzent versucht eine Mischung aus vollkommenen Trottel und professionellem deutschen Spießbürger darzustellen. Weiterhin versucht der Film mit dem primitivsten Klamauk, der ihm einfällt, die Lachmuskeln zu betätigen. Zugegeben: Wenn Alan Rickman nackt mit Colin Firth spricht, ist das ungemein amüsant; doch wenn Firth durchgehend in jedes erdenkliche Fettnäpfchen tritt, verliert selbst dies an Interesse. Stereotypen und Klischees sind hier allumfassend.
Alan Rickman (oder Mr. Voice) brilliert natürlich durch seine makabre Komik. Der sonst so reservierte und griesgrämig wirkende Schauspieler zeigt sich in „Gambit“ von einer ganz anderen Seite. Bekannt durch seine Rolle des Severus Snape in den „Harry Potter“-Verfilmungen ist Lionel Shahbander der vollkommene Kontrast. Nudist, exzentrisch und despotisch sind wohl die ersten Charakteristika, die man mit dem Milliardär in Verbindung bringt. Jeden Fan des britischen Schauspiels und Alan Rickman selbst dürfte diese Rolle verblüffen: Denn in den wenigsten Rollen kann man Rickman so frisch und neu erleben. Er wirkt beinahe „normal“, wären da nicht jene Eigenschaften, die ihn aus dem Trott der Einfachheit herausheben. Neben Colin Firth, der zumeist nur gelangweilt seinen Text hinunterspult, verdankt man es nur dem Mann mit der tiefen Stimme, dass der Film zumindest in den Momenten Spaß bereitet, in denen er auftritt. Cameron Diaz ist dagegen, wie so oft, überfordert und nervig. Der überdrehte texanische Akzent wirkt aufgesetzt und ihr Grinsen, welches sich über ihr gesamtes Gesicht zieht, ist vor Penetranz nicht zu überbieten. Die Messlatte des schauspielerischen Nonsens liegt erstaunlich hoch, denn selten gelang es weder Stanley Tucci noch Firth so unterfordert zu erscheinen. Das denunziert per se nicht die Darstellung der genannten Schauspieler (mit Ausnahme von Diaz), doch es macht einzig Spaß Alan Rickman dabei zu zusehen, wie er versucht jegliche Tabus zu brechen.
Die Wenigsten können sich glücklich schätzen ein Drehbuch der Coen-Brüder zu verfilmen. Regisseur Michael Hoffman beleidigt diese Möglichkeit, indem er jede Form der Regiekunst vollkommen ad acta führt. Jegliche Innovation missend, inszeniert Hoffman den Film als Abfolge trivialer Einzelszenen, die er in aller Einfachheit aneinanderreiht. Die Komik der Dialoge vermischt Hoffman mit schwachen Bildern (Farbkorrektur und ausstaffierte Optik so weit das Auge reicht), bedient ein Klischee nach dem anderen und ist nur selten bereit eigene Wege zu gehen. So amüsant die Vorstellung auch ist, dass sich zwei der größten britischen Schauspieler in einer einfachen Komödie einmal vollkommen gehen lassen – dies bedeutet aber nicht, dass die Regie in ihrer primitiven Ausführung so vollkommen debil dem Schema einer beliebigen amerikanischen RomCom gehen kann. Vielleicht ist es gerade deswegen nicht verwunderlich, dass gerade Cameron Diaz als Einzige wie geschmiedet für diesen Film scheint: Wie jede ihrer Rollen ist auch diese ein einziger, nicht zu definierender Totalausfall.
Ein bedauerliches Endprodukt ist „Gambit“ allemal. Fern eines Masterplans entwickelt Michael Hoffman aus dem Drehbuch ein schlüpfriges und nerviges Spektakel einer Komödie, ohne jegliche Reize. Seit Sam Raimis „Die Killer-Akademie“ gaben die Coens keines ihrer Drehbücher aus der Hand und vielleicht war es hier genau ihr Glück. Denn so gut gemeint es auch sein mag: Das Drehbuch ist lasch und bisweilen einfach nur flach. Der sonst so subtile und ruhige Humor der Coen-Brüder drescht in bester Hau-Drauf-Manier auf den Zuschauer ein und britische Schauspielgrößen gelangen unter die Sense eines Regisseurs, der in seiner Unfähigkeit nicht in der Lage ist, irgendetwas Verwertbares zu erschaffen. So lässt er alles auf halber Strecke liegen, was auch nur ansatzweise hätte mitgenommen werden können.
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