„Frau Müller muss weg“ ist deutsches Kino, wie man es kennt und doch nicht kennen möchte: bieder, einfallslos und ohne große Höhepunkte. Das Eintrittsgeld ins Kino ist diese Produktion eigentlich kaum wert. Als Theaterstück (wie der Lutz-Hübner-Stoff zeitgleich anzutreffen ist) oder Dienstagabendfilm bei der ARD könnte man den Film durchgehen lassen. Doch egal zu welcher Generation man gehört: Niemand dürfte Lust dazu haben, sich ins Kino zu flüchten, nur um dort wiederum in die Räume des Schulalltags zurückgeschickt zu werden. Schlimmer noch, wenn sich die Inszenierung Sönke Wortmanns der entschiedenen Lustlosigkeit ergibt und die Vorlage um keinerlei filmische Relevanz ergänzt. In einfalls- und witzloser Routine werden Dialoge austauschbarer Streitigkeiten eingefangen und zudem mit dem Anspruch vorgetragen, eine Verwandtschaft zu „Der Gott des Gemetzels“, „Breakfast Club“ und „Die 12 Geschworenen“ zu ergeben.

Die einzige Verwandtschaft, die der Film jedoch vorzeigen kann, ist die mit jener Art von Lehrer, die ihre Schüler engagieren will, aber vor Unfähigkeit an deren Interessen vorbei segelt; bis sich keiner mehr damit befassen möchte und schließlich schlechte Noten schreibt. Identifikation kann ohnehin nicht stattfinden, so mühsam sich der blasse Zelluloid-Pauker voll konstruiertem Gelaber mit vorgefertigten Monologen und Plädoyers an der Leinwand entlang hangelt. Der eine oder andere sollte sich in den Figuren theoretisch wiedererkennen können, doch diese werden in ihrer Plakativität tatsächlich überspitzt und lassen sich als Klischees des Mittelstand-Elterntums selbst tot erklären. Da gäbe es die kontrollwütige Anführerin (Anke Engelke); den Lebensversager, der zu allem eine Meinung hat (Justus von Dohnányi); das Business-Douchebag, das nur an seinen Job denkt (Ken Duken); seine esoterische und schrille Brillenschlange von Frau (Mina Tander) und zu guter Letzt diejenige, die sich objektiv zurückhält, als Blondine aber trotzdem ihre Brüste zeigt (Alwara Höfels).

Und jedes Kind dieser Leute ist schlimmer, als sie glauben beziehungsweise einsehen möchten. Im versammelten Kreis von besorgten und dickköpfigen Erziehungsberechtigten werden auch durchweg Konfliktsituationen forciert, an denen man „endlich das rauslassen kann, was schon lange hätte gesagt werden müssen“. Zudem werden Lebenslektionen gelernt, die im Rahmen der erzieherischen Institution keinem plakativeren Symbolismus unterworfen sein könnten. Man wird das Gefühl nicht los, dass der Film sich selbst so darstellt, einen Bezug, gar Beitrag zur gegenwärtigen Bildungsdebatte zu leisten. Die inhaltlichen Eckpunkte der Systemkritik und modernen Erziehungsmethodik mögen da zwar ihre Berechtigung haben. Jedoch drängt der Film auf eine dramaturgisch-unbeholfene Belehrung, die sich in ihrer Trockenheit der Ideale und Verhältnisse zum bloßen Hörspielkino degeneriert. Visuell laden diese triste Schule und die mäßig darin bewegte Kamera ohnehin gerne dazu ein, sich an den Schulalltag zurückzuerinnern – das Gefühl trägt Wortmann am Ehesten aus seinem Ensemble an den Zuschauer heran.

Die Schulzeit war nämlich nicht immer schön, größtenteils langweilig; aber man musste durch, ob man wollte oder nicht. Folglich sucht der Film dann noch das Pathos in einem gediegenen Gitarrenstück, dass er ungefähr fünfzig Mal einsetzt, wenn mal wieder zum rechten Zeitpunkt Empathie mit den Frustrierten eingebläut werden soll. Jenen Einsatz kann man ungefähr so präzise vorhersehen, wie die sich meilenweit ankündigenden und dennoch spärlichen Situationskomiken. Diese sind dann auch noch so faul in den Pointen und gleichsam unnatürlich im demonstrativen Gesamtkonzept verteilt, dass die ultimative Schere zwischen lustigem Twist und dramatisch erhebender Musikuntermalung im Finale umso ekelerregender wirkt. Eine Leistung, die man mit sofortigem Nachsitzen bestrafen will, während man als Zuschauer schnell das Weite sucht, bevor überhaupt die Klingel zum Unterrichtsschluss ertönt.

Meinungen

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