Takeshi Kitano scheint immer selbst der stärkste Stein in der Brandung zu sein – zumindest ist sein Image als japanisches Allroundtalent durchaus mit Respekt zu beobachten; ob er nun als Namensgeber für Fernsehsendungen und Videospiele, als Dichter, Maler oder Komiker firmiert. Seinen Filmen ist Letzteres eher weniger anzumerken, stellt er sich dort doch als stoischer Kerl mit Herz in einer Welt voller Gewalt dar. Die Wechselwirkung mit der Menschlichkeit in dieser ist allerdings sein Metier, im Falle von „Hana-Bi – Feuerblume“ geht jene bittersüße Abgeklärtheit allein im Titel auf. So beginnt sein Film mit Gemälden, die er nach einem folgenschweren Motorradunfall anfertigte. Sie repräsentieren eine Verknüpfung von Fantasie und Realität, die unschuldig nach Zauber sucht, obwohl sie nur ein Wunsch bleiben kann. Auch schweigen sie vor sich hin, leben aber in der Bewegung des Zelluloids – vieles an Kitanos Film entspricht genau jenem Dasein.

In meist statischen Einstellungen begegnen wir Ex-Polizist Yoshitaka Nishi – einem Mann, den Kitano regelrecht mit seinen eigenen Narben spielt: Die Tochter kam bei einem Unfall ums Leben, Ehefrau Miyuki leidet seit Jahren an Leukämie, Erinnerungen an verletzte und tote Kollegen gleiten durch seine Gedanken, auf den Schulden bei der Yakuza sammeln sich Zinsen an. Er selbst kann dazu kaum etwas sagen, inmitten dieser Umstände ist er einzig am Handeln. Genauso vermeidet auch der Film das Melodramatische, nicht aber die Empathie. Joe Hisaishis Musikbegleitung drückt aufs Herz, wenn gesehen werden soll, was unter versteinerten Gesichtern nicht hervorkommen kann, während süße Malereien im Hintergrund Sorgenfreiheit ausstrahlen. Schnell trifft einen aus der Verzweiflung heraus jedoch der Schlag. Kitanos drastische Gewaltdarstellung lässt hier nicht locker, bleibt aber zielgerichtet und schmerzhaft. Er macht sich und dem Zuschauer keine Illusionen, ohne zynisch zu werden. Sein Protagonist handelt stets aus Solidarität, benutzt nicht immer den legalen Weg, hält sich dabei aber auch nur an eine Welt, die mit Gewalt Verhältnisse bestimmt – das Blut spritzt infolgedessen so, wie Blumen in ihren Farben aufblühen.

Jene Einzigartigkeiten der Natur explodieren in ihrer Einsamkeit, daran will sich Nishis Kollege Horibe wiedererkennen. Einst von einem Yakuza angeschossen, ist er seitdem an den Rollstuhl gezwungen. Frau und Tochter haben ihn deswegen verlassen, was durch die Geschichte der (oftmals aus Männlichkeit geschehenen) Gewalt auch eine wiederholende Konsequenz wird, die Nishi zu verhindern versucht. Horibe hingegen hat in seiner Einsamkeit schon den ersten Selbstmordversuch unternommen, Nishi hilft ihm daraufhin mit Materialien zum Malen aus. Solche kleinen, doch wichtigen Gesten werden per Paket angeliefert, Kitano macht derartige Selbstverständlichkeiten ohne Worte fühlbar. Das Prinzip der Bescheidenheit bestätigt sich abermals in Nishis Unternehmung, eine Bank auszurauben, um seiner Frau zu helfen, Schulden zu begleichen und sich vollkommen von der Vergangenheit abzutrennen, ohne sie vergessen zu können. Wie er die nötige Ausrüstung zusammenbekommt, das Taxi zum fingierten Polizeiwagen umgestaltet oder Platzpatronen ausprobiert: Es ist eine zärtliche Kunst, die nicht zufällig im Gegenschnitt mit der Malerei steht.

Dieser Kontrast vereint sich wie der Film auf Messers Schneide, will mit dem Herzen aus der Gewalt flüchten und dafür ein Feuerwerk entfesseln. Kämpfe um Liebe und Glück sind oftmals die schwierigsten im Leben, aber selbst in den kleinsten Augenblicken oder Stillleben von Wert. Kitano drückt dies eher in Tat und Bild denn in Worten aus – direkt mit Essstäbchen ins Auge und Glocke ins Ohr. Revolverkugeln bleiben in der Faust, Sterne auf der Leinwand, Blut bleibt im Schnee, die Umarmung am Strand. Alles Einstellungen, die in ihrer Einfachheit umso effektiver Schmerz und Schönheit vereinen.

Umsetzung für das Heimkino

Capelight Pictures hat sich der würdevollen Wiederveröffentlichung von Takeshi Kitanos Meisterwerk für das Heimkino angenommen und liefert eine Edition ab, die mehr als den Film im Mediabook mit Hochglanzoptik bietet. Die Bildqualität in High-Definition wirkt von der ersten bis zur letzten Sekunde frisch und hält die 35-mm-Körnung des Films aufrecht, kommt gänzlich ohne altersbedingte Störungen aus und lässt Farben wie Schärfen neu erstrahlen, was gerade in der Präsentation der im Film gezeigten Gemälde wichtig ist. Die deutsche Synchronfassung und der japanische Originalton besitzen äußerst dynamische Stereospuren, als Beigabe auf den Discs gesellen sich Trailer, Interviews mit Kitano sowie ein viertelstündiges Making-of. Das Mediabook enthält auch ein vierundzwanzigseitiges, analytisches Essay von Dr. Marcus Stiglegger, der das Werk Kitanos und dessen Relation zu „Hana-Bi“ umfangreich abhandelt. Und wenn das alles noch nicht genug ist, bietet die Edition außerdem Kitanos „Kids Return“ (1996), der bislang nur einmal im Rahmen einer Retrospektive in Deutschland gezeigt und ebenso als Blu-ray beigelegt wurde.

Meinungen

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